Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel
Rede zur Lage der Nation
am 15. Mai 2002

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15. Mai untrennbar mit Leopold Figl verbunden
Wien (övp-pd) - Die Begrüßung hielt ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat: "Der 15. Mai ist untrennbar mit dem großen ÖVP-Politiker und großen Österreicher Leopold Figl verbunden. Der Tag ist auf Grund der besonderen Bedeutung nicht nur irgend ein Datum, an dem der ÖVP-Bundesparteiobmann und Bundeskanzler Bilanz zieht: Am heutigen Tag gedenkt die ÖVP vor allem Leopold Figls, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre."

"Leopold Figl war der große Außenminister, der unserer Heimat 1955 mit dem Staatsvertrag die Unabhängigkeit gebracht hat. Es gibt wahrscheinlich keinen anderen politischen Satz, der sich so in das Gedächtnis aller Österreicherinnen und Österreicher eingeprägt hat, wie Figls 'Österreich ist frei' vom Balkon des Oberen Belvedere am 15. Mai 1955. Egal, ob man damals dabei gewesen ist oder nicht, egal, wo man politisch steht, ist dieser Satz Ausdruck der österreichischen Identität und er steht für die ungebrochene Verantwortung, die die ÖVP für dieses Land getragen hat und trägt".

"Anlässlich des 100. Geburtstages Leopold Figls im heurigen Jahr verneigen wir uns in tiefem Respekt vor diesem großen Österreicher", betont die ÖVP-Generalsekretärin. Die Volkspartei will mit einer kleinen Dokumentation über sein Leben und Wirken die Person Figl öffentlich in Erinnerung rufen, etwa am Minoriten- und Morzinplatz. Figl ist Bundeskanzler, Außenminister, Nationalratspräsident und in seiner letzten Funktion Landeshauptmann von Niederösterreich gewesen.

"Wer wäre daher berufener, heute zu sprechen, als der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll. Er kommt wie Figl aus dem niederösterreichischen Bauernbund, der damals wie heute ein Power-Haus der österreichischen Innenpolitik war und ist", sagte Rauch-Kallat.
Über 1000 Gästen sind zur "Rede zur Lage der Nation" in die Hofburg gekommen. Das ist ein Zeichen des Vertrauens zur ÖVP und zu Wolfgang Schüssel.

Schüssel: Vereintes Europa vollendet Figls "Österreich ist frei"
"Ein langfristiger Bogen spannt sich vom österreichischen Staatsvertrag 1955, dem Tag, an dem Österreich frei wurde, bis 2004 oder 2005, zur wirklichen Vereinigung Europas. In diesem Sinne ist die europäische Einigung in Wahrheit die Vollendung des Satzes 'Österreich ist frei' von Leopold Figl vom 15. Mai 1955",so ÖVP-Bundesparteiobmann Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu Beginn seiner "Rede zur Lage der Nation" in der Wiener Hofburg.

Dank an Niederösterreich
Die ÖVP hat an diesem Tag ganz bewusst Leopold Figl in den Mittelpunkt gerückt. Schüssel dankte Figls Nachfolger als Landeshaupt- mann von Niederösterreich, Erwin Pröll als Vertreter dieses ÖVP- Kernlandes für dessen Worte: "Es tut gut, dich an meiner Seite zu wissen". Zu danken sei für den gemeinsam beschrittenen Weg, auf dem man hinsichtlich der anstehenden EU-Erweiterung gemeinsam Ängste überwinden und versuchen wolle, Vorurteile abzubauen und Brücken zu bauen.

"Niederösterreich ist heute zu einem Knotenpunkt in Europa geworden. Das ist auch die Anerkennung deiner Arbeit als österreichi- scher Politiker", so Schüssel zu Pröll. Im Andenken an Prölls Vorgänger Figl sagte er, dass kürzlich im Bundeskanzleramt "unheimlich interessante Bilder" von der ersten Weihnachtsfeier von Kanzleramts-Mitarbeitern nach dem Krieg im Palais Kaunitz gefunden worden seien. "Diese Bilder strahlen eine geheimnisvolle Kraft aus. Sie zeigen nach dem Krieg 1945 den Willen, es besser zu machen. Diese Bilder sprechen heute noch zu uns.

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27. April wichtiger als 8. Mai
In diesem Zusammenhang ist der 27. April als Tag der österreichischen Unabhängigkeitserklärung 1945 für Österreich viel wichtiger als der 8. Mai. Der 27. April ist unser eigentlicher Tag der Freude für Österreich, unser Independent Day nach Jahren der Beset- zung und der Unfreiheit. Die "Independent Declaration" ist für Österreich unglaublich wichtig und sollte eigentlich in jeder Schule gelesen werden. Interessant ist dabei zu sehen, worunter Leopold Figls Unterschrift prangt. Es wird daran gedacht, dass Österreich endlich wieder befreit ist, aber gleichzeitig gedenkt man eines sinnlosen Eroberungskrieges, den niemand gewollt hat, der hunderttausende österreichische Opfer gefordert hat und bei dem fast die gesamte Jugend unseres Landes bedenkenlos hingeopfert worden ist.

Versöhnung
In der folgenden Regierungserklärung für das freie Österreich spricht man dann von Versöhnung, Mitläufern des zusammengebrochenen NS-Regime wird die Hand gereicht, den Tätern nicht. Die Männer der ersten Stunde haben das Ziel verfolgt, die Republik Österreich wieder in den Kreis der friedlichen und freien Staaten zurückführen und wieder mit den Nachbarn zusammenzuarbeiten. Diese Botschaft Leopold Figls ist heute top-aktuell. Sie muß daher in die heutige Zeit weitergereicht werden.

Österreichische Nation
Sind nicht jene arm, die sich in ihrem Bekenntnis zur österreichischen Nation immer wieder verhafteln, und sind nicht jene arm, die Fahnen schwingen, auf denen 'Anarchie statt Österreich' steht?. Stolz auf Österreich zu sein ist wichtig - das muss uns verbinden, das müssen wir weitergeben."

Gegen Gewalt
Anlässlich der jüngsten Vorfälle betonte Schüssel, Österreich wolle keine Amokläufer und politischen Morde im Wahlkampf: "Man muß sich die Frage stellen, wie man mit solch tragischen Fällen umgehen soll. Das Wichtigste ist, jungen Menschen Zutrauen zum Leben zu geben, Ich-Stärke zu vermitteln und ihnen bewusst zu machen, dass es sich lohnt, zu leben. Ein Wanderpokal der Schuld hilft nichts und niemandem. Unsere Pflicht und Schuldigkeit ist es, unsere Jugend zu lehren, dass es andere Lösungen als Gewalt gibt. Dies erfordert Zeit, Differenzierung und Gesprächsfähigkeit. Seit 1960 sind Mütter im Schnitt zehn Stunden weniger pro Woche für ihre Kinder da. Wieviel ärmer sind wir geworden! Zeit ist das wichtigste Mittel zur Erarbeitung von Lösungen und zum Dialog. Das richtige Konzept zur Verhinderung zukünftiger Tragödien ist es, den Jungen ihre Würde zu geben und die Bedeutung des Einzelnen hervorzuheben. Schulen dürfen keine Hochsicherheitstrakte werden, aber auch die europäischen Politiker dürfen sich nicht abschotten müssen. Hinschauen, nicht wegschauen, zuhören, nicht weghören, muss unser Weg sein. Politik und Medien haben hier die gleiche schwierige Verantwortung."

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ÖVP hat Österreich professionell geführt
"Die Österreichische Volkspartei hat Österreich in den vergangenen zwei Jahren konsequent, gelassen und professionell geführt." Als Kernpunkte der Regierungsarbeit nannte Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel eine europäische Wirtschaftspolitik, eine faire Sozialpolitik und eine zukunftsorientierte Bildungspolitik. "Im vergangenen Jahr hat sich Österreich unter den wirtschaftlich erfolgreichsten Ländern auf den 13. Platz verbessert, darauf können wir stolz sein."

Österreich immer vorne mit dabei
"Österreich hat mit 1.000 Milliarden Schilling die Exportschall- mauer durchbrochen und hat den ersten Platz bei der Gesundheitsver- sorgung halten können. Wir wissen das, aber es ist gut, es auch offen auszusprechen. Oft ist es verlockend, ein Drittel mehr Gehalt zu bekommen, aber, ich werde nichts eintauschen gegen eine Verschlech- terung in der Gesundheitsstruktur. Österreich hält ebenso Platz 1 bei der Luftqualität. Eine neue Studie belegt, dass die Luftqualität durch die Erweiterung noch besser wird. Die Ozon- Belastung wird um zehn Prozent geringer werden. Verrückt, wer diese Chance liegen lässt. Österreich ist aber auch internationaler Spitzenreiter bei Fragen der persönlichen Sicherheit. Es ist gut, dass Ernst Strasser an der Spitze einer starken Exekutive steht. Das muss auch so bleiben. Österreich hält ebenso Platz 1 in Fragen der allgemeinen Lebensqualität. Dies macht stolz, dies wird auch so bleiben."

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ÖVP als Partei der Mitte
"Auftrag der Mitte ist es, sich aus sich selbst heraus zu definieren. Nicht aus der Abgrenzung oder durch die Verächtlichmachung der politischen Gegner. Das ist nicht notwendig. Die Menschen sind gut genug, dass sie sich selber ein Bild machen, wer führen kann oder wer es nur anstrebt.

Scharfe Kritik an unsozialer SPÖ
Irgendwann einmal wird man aufhören müssen, über die soziale Kälte zu jammern, wenn gleichzeitig in Wien die Sozialeinrichtungen flächendeckend zusammengestutzt werden und wenn in Wien der Ganztagskindergartenplatz für zwei Monate mehr kostet, als ein Studienplatz in einem ganzen Semester. Da ist Bescheidenheit gefragt. Ich tue mir ehrlich gesagt ein bisschen schwer: Wie sollen wir es denn halten, wenn die SPÖ einerseits das Nulldefizit in die Verfassung hineinschreiben will und auf der anderen Seite am 1. Mai Transparente gehalten werden, wo draufsteht: 'Eines ist fix, das Nulldefizit ist nix'.

Mahatma-Ghandi Friedfertigkeit der Grünen
Gleiches gilt bei der Mahatma Gandhi-artigen Friedfertigkeit der Grünen. Diese müssen sich schon auch einige Fragen gefallen lassen, wie das etwa mit Links auf der Grünen Homepage zu "Schwarz-Blöcken" oder mit ihrer Teilnahme an Demonstrationen zusammenpasst.

Auseinandersetzungen gehören ins Parlament, nicht auf die Straße
Ich denke mir, Auseinandersetzungen in der Politik gehören nicht auf die Straße, sondern ins Parlament. Dort müssen die Argumente gewinnen und nichts anderes. Die Menschen wissen zB ganz genau, dass es nicht so einfach ist, bei der nuklearen Sicherheit ein Ergebnis zustande zu bringen. Es ist alles viel einfacher, wenn man in der Opposition sitzend irgendetwas verlangt und es nie bringen muss. Die Regierung dagegen stellt tatsächlich Fortschritte sicher. Wir sagen aber auch, wo es nicht geht oder wo die Grenzen unserer Möglichkeiten bestehen."

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