Pensionsreform Thema der
Aktuellen Stunde im Parlament
 

erstellt am
05. 06. 03

"Reformschwindel" oder "sozial ausgewogene Zukunftssicherung"?
Wien (pk) - Im Mittelpunkt der (18.) Plenarsitzung des Nationalrats am Mittwoch (04. 06.) stand die geplante Pensionsreform. Eingangs kündigte Nationalratspräsident Dr. Khol Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers mit dem Titel "Das Angebot der Bundesregierung zur Pensionsreform" an. Zuvor bereits thematisierte die SPÖ die Pensionsfrage in der Aktuellen Stunde, deren Überschrift lautete: "Reformschwindel der Bundesregierung statt gerechte Pensionsreform für Österreich".

Abgeordnete SILHAVY (S) skizzierte ihre Vorstellungen für eine gerechte Pensionsreform, indem sie eine langfristige Finanzierungssicherung, die Erhaltung des Lebensstandards im Alter und ein Mehr an Gerechtigkeit für die Pensionisten verlangte. "Diese Anforderungen erfüllt die Pensionsreform aus Ihrem Haus nicht!" warf die Abgeordnete dem im Hause anwesend Sozialminister Haupt vor. Die Regierung habe in die "Trickkiste" gegriffen, die Bevölkerung getäuscht und bereite einen Reformschwindel statt einer sozial gerechten Pensionsreform vor. Die so genannte "Reform" werde Verluste von weit über 20 % bringen - das Versprechen einer 10-prozentigen Deckelung werde sich als eine "Luftblase" erweisen, die bald platzt.

Die Regierung behaupte, eine familienfreundliche Politik zu machen, kritisierte Silhavy weiter. Sie werde den Frauen aber erklären müssen, warum sie bestraft werden, weil sie wegen ihrer Familienpflichten in Teilzeitarbeit gegangen sind.

Die Eile, mit der die Regierung ihr Paket durchbringen wolle, zeige an, dass sie nicht an der Formulierung einer sozial ausgewogenen Reform interessiert sei. "Es geht Ihnen darum, rasch abzuzocken. Die SPÖ steht aber für eine Reform, die gegen die Interessen der Menschen in Österreich gerichtet ist, nicht zur Verfügung", schloss Silhavy.

Vizekanzler Mag. HAUPT erinnerte daran, dass SPÖ und ÖGB längst notwendige Änderungen im Pensionssystem jahrelang verschleppt haben. Schon vor 18 Jahren habe der SP-Gewerkschafter Sepp Wille und der Präsident des Hauptverbandes Dragaschnig die Harmonisierung der Pensionssysteme verlangt. Der Vizekanzler berichtete weiters von seinen Bemühungen, am runden Tisch einen Dialog über die Pensionsreform einzuleiten. "Den Dialog hat nicht die Bundesregierung verweigert", sagte Haupt und warf dem ÖGB vor, er sei vom Verhandlungstisch aufgestanden und habe zum Streik aufgerufen. Haupts Appell an Opposition und Gewerkschaften lautete: "Arbeiten Sie an dieser Reform mit!"

SPÖ und ÖGB wüssten seit 1991, dass Beitragserhöhungen die schlechteste Variante für den Wirtschaftsstandort Österreich darstellen würden, dennoch erweckten sie den Eindruck, mit Beitragerhöhungen die Pensionen sichern zu können, kritisierte der Sozialminister und unterstrich sein Eintreten dafür, dass Schwerarbeiter, die nicht unter die Hacklerregelung fallen, weiterhin die vorzeitige Alterspension ab 60 Jahren in Anspruch nehmen können.

Dann trat der Vizekanzler Vorwürfen entgegen, die Bundesregierung benachteilige die Frauen. Er wies darauf hin, dass noch keine Bundesregierung der Zweiten Republik soviel für die Anrechnung von Familienleistungen getan und erreicht habe. Haupt kündigte die neuerliche Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Ehepaare auf 1000 € an und gab zudem die Absicht bekannt, einen 10 Mill. Euro-Härtefonds einzurichten, um Arbeitnehmern mit mehr als 35 Beitragsjahren helfen zu können.

Abgeordneter Mag. TANCITS (V) kritisierte die Opposition mit dem Hinweis, dass ein Teil des Hauses um eine gerechte Pensionsreform ringe, während der andere Teil des Hauses von Reformschwindel spreche, ohne sich in Wahrheit mit den Dingen auseinanderzusetzen. Während seit vielen Jahren die Notwendigkeit einer Pensionsreform unbestritten sei, vor allem auch die Erhöhung des Pensionsantrittsalters, hätten SPÖ-Politiker, an allen voran Parteivorsitzender Vranitzky noch vor wenigen Jahren den Eindruck zu erwecken versucht, es genüge SPÖ zu wählen, um die Pensionen zu sichern.

Die Pensionsreformkommission habe drei Jahre unter Beteiligung der Sozialpartner beraten, die SPÖ habe sich aber vor der Präsentation der Ergebnisse gedrückt.

Abschließend appellierte Abgeordneter Tancsits an die Opposition, die Menschen nicht zu verunsichern, etwa durch die Verbreitung der Unwahrheit, sie würden 30 - 40 % ihrer Pensionen verlieren. Niemand verliere durch diese Pensionsreform mehr als 10 %, schloss Tancsits.

Abgeordnete BURES (S) hielt ihrem Vorredner entgegen, dass eben die von ihm zitierten Experten sich von dem Reformentwurf der Regierung distanziert hätten, weil sie darin nicht gefunden hätten, was sie drei Jahre lang beraten haben. Dem Regierungsentwurf seien die sozialen Härten und Giftzähne nicht gezogen worden, klagte die Abgeordnete, "am unsozialen Charakter des Reformvorschlags hat sich nichts geändert. Für die mehr als eine Million Menschen, die in Sorge um ihre Pension gestreikt haben, haben Sie nicht mehr übrig als Arroganz", warf die Abgeordnete der Regierung vor.

Was hilft einer Frau mit einer Durchschnittspension von 650 Euro die oft zitierte Deckelung, wenn man ihr 75 Euro wegnehme, fragte die Abgeordnete und erinnerte daran, dass die SPÖ ein faires Modell präsentiert habe, das die Harmonisierung der Pensionssysteme nicht erst in Jahrzehnten, sondern sofort und überdies einen Solidaritätsbeitrag all jener vorsehe, die eine Pension von mehr als 2000 € beziehen.

Abgeordneter WALCH (F) warf dem ÖGB vor, nichts zur Pensionsreform beigetragen zu haben, obwohl er Mitverantwortung dafür trage, dass in der Vergangenheit drei verschiedene Pensionssysteme mit Privilegien für einzelne Gruppen geschaffen worden seien. ÖGB und Oppositionsparteien tragen auch die Verantwortung dafür, statt eigener Vorschläge die Bevölkerung zu verunsichern, obwohl alle wüssten, dass in bestehende Pensionen nicht eingegriffen werde. Walch würdigte den Einsatz des Vizekanzlers für die Übergangsregelung bei der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension und für die 25-jährige Übergangszeit bei der Verlängerung des Durchrechnungszeitraums. Kleine Pensionen werden mit maximal 3 - 8 % Verlust rechen müssen, sagte Walch und bekannte sich nachdrücklich dazu, dass die Altersteilzeit unbegrenzt gewährt wird und jene, für die die Altersteilzeit ausläuft, ein Altersübergangsgeld mit einem 25-%-Zuschlag bekommen.
     
Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) hielt es für ein Armutszeugnis des Vizekanzlers, den ÖGB zu kritisieren, statt zu erklären, warum die FPÖ dieser Pensionsreform zustimmt. Es sei unverständlich, eine Reform als gerecht und sozial ausgewogen zu bezeichnen, die Menschen bestrafe, nur weil sie studieren, sagte die Rednerin und machte darauf aufmerksam, dass viele junge Menschen Probleme haben, vor ihrem 30. Lebensjahr einen Arbeitsplatz zu finden. Bestraft werden auch junge Menschen der Jahrgänge 1968 und folgende und vor allem die Frauen. Die weiblichen Abgeordneten des Hauses sollten dem Wunsch vieler Frauen entsprechen und diese Reform ablehnen, statt Parteiinteressen zu verteidigen, lautete das Fazit der Abgeordneten Glawischnig.

Abgeordnete STEIBL (V) zitierte Experten, die die vorliegende Pensionsreform als dringend notwendig bezeichnet haben und erinnerte überdies an die Mahnungen der EU, das österreichische Pensionssystem zu reformieren. "Zukunft braucht Verantwortung", sagte die Abgeordnete und erinnerte daran, dass die Bundesregierung mit der Pensionsreform einen Weg gehe, den viele skandinavische Länder bereits erfolgreich hinter sich gebracht haben. Die SPÖ versuche aber weiterhin, allen alles zu versprechen, in der Hoffnung, dass es andere bezahlen werden. Ein wichtiger Punkt ist für Abgeordnete Steibl der familienpolitische Schwerpunkt der Bundesregierung, der auch in der Pensionsreform zum Ausdruck komme. Für jedes Kind werden drei Jahre aus der Durchrechnungszeit herausgenommen. "Keine Regierung hat jemals mehr für die soziale Sicherung von Müttern und Vätern getan als die jetzige Bundesregierung", schloss Steibl.

Abgeordneter NÜRNBERGER (D) ging zunächst auf die Ankündigung ein, den Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare auf 1000 € anzuheben. Diese Maßnahme sei gut, sagte der Abgeordnete, sah aber Probleme bei verheirateten Frauen, deren Pension gemeinsam mit der des Mannes knapp über 1000 € liege. "Diese Frauen bezahlen die Zeche", warnte Nürnberger. Der Abgeordnete erinnerte an die Streiks und Demonstrationen von Millionen Menschen und hielt fest, dass der ÖGB nie gegen die Regierung streiken wollte. "Wir werden auch in Zukunft die Interessen der Menschen vertreten und uns von niemanden daran hindern lassen, gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen einzusetzen." Die Vorschläge für die Pensionsreform lehne er ab, weil sie weder die Pensionen noch den Lebensstandard der Menschen sicherten.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) hätte sich vom ÖGB Vorschläge für eine Pensionsreform gewünscht, statt Streiks zu organisieren. "Während Sie gestreikt haben, haben die Regierungsfraktionen es sich nicht leicht gemacht, sondern um eine Pensionsreform gerungen. Wir werden die Pensionen sichern, vor allem auch für die Frauen", sagte Dolinschek. Die Pensionsreformkommission habe Ergebnisse vorgelegt, die Sozialpartner waren eingebunden, sie wollten aber nicht mitentscheiden. "Nur Kritik ist zu wenig" sagte Dolinschek, der mit der Ankündigung aufhorchen ließ. Im Zuge der geplanten Steuerreform einen 1000-€-Mindestlohn herbeizuführen.

Abgeordnete WEINZINGER (G) sah die einzige gute Nachricht des Tages darin, dass die völlig inferiore Pensionsreform nicht am heutigen 4. Juni im Plenum beschlossen werde, obwohl sich der Bundeskanzler auf diesen Termin versteift hatte. Auch Weinzinger kritisierte die massiven Verschlechterungen, die trotz der Anrechnung von Erziehungszeiten für Frauen zu befürchten seien, und machte darauf aufmerksam, dass die Zeiten für den Präsenzdienst pensionsrechtlich nach wie vor wesentlich besser berücksichtigt werden als Kindererziehungszeiten. Die Form, in der die Regierungsparteien die Verhandlungen über die Pensionsreform führen - bis jetzt liegt dem Budgetausschuss kein Abänderungsantrag vor - bezeichnete die Abgeordnete als "Missachtung des Parlaments".
     
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