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Salzburger Festspiele 2002 feierlich eröffnet
"Ein neuer Akt im Spiel vom Ende der Feste wird aufgeführt" – Festveranstaltung
mit Ansprachen von Schausberger, Schüssel, Klestil und Festredner Ruzicka
Salzburg (lk) - In der Felsenreitschule wurden die Salzburger Festspiele 2002 am Freitag (26. 07.)
mit einer Festveranstaltung, an der fünf Staatspräsidenten und zahlreiche Prominente aus Politik, Wirtschaft
und Kultur teilnahmen, eröffnet. Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger würdigte in seiner Begrüßungsansprache
Festredner und Festspielintendant Prof. Dr. Peter Ruzicka als erfolgreichen Komponisten, Kulturmanager und kreativen
Intellektuellen. Weiters ging Schausberger auf die neuen programmatischen Schwerpunktsetzungen des Festivals sowie
den Umbau des Kleinen Festspielhauses zu einem „Haus für Mozart" ein.
Nach der Ansprache von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel betonte Bundespräsident Dr. Thomas Klestil
in seiner Rede die friedensstiftende Rolle der Kultur und ihre Bedeutung für die europäische Einigung.
Salzburg mit seiner Aura sei dafür der ideale Treffpunkt für Entscheidungsträger aus aller Welt.
Festspielintendant Dr. Ruzicka beschäftigte sich in seiner Rede ausführlich mit Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft des Festivals. Es erscheine wie eine bittere Ironie der Geschichte, sagte Ruzicka in seiner Rede, dass
die Salzburger Festspiele, die einst als Bollwerk gegen den Ausverkauf des Abendlandes errichtet worden seien,
nun selbst den hochmütigen Spott der Kulturpessimisten auf sich zögen. In Salzburg werde ein Stellvertreterkrieg
geführt. „Ein neuer Akt im Spiel vom Ende der Feste wird aufgeführt, und der Ausgang des Stückes,
das seine Urheber sich ganz anders ausgedacht hatten, bleibt vorläufig im Ungewissen."
Schausberger: „Haus für Mozart" soll bis 2006 fertig sein
Trotz der entstandenen Zeitverzögerung sei er zuversichtlich, dass das „Haus für Mozart"
rechtzeitig zum Mozartjahr 2006 fertig sein und Salzburg über eine der Qualität der Aufführungen
entsprechende und dem internationalen Ruf der Festspiele gerecht werdende Spielstätte verfügen werde,
stellte Landeshauptmann Schausberger fest.
Bekanntlich wurde die Zuschlagsentscheidung des Festspielkuratoriums aufgehoben. Um die Architektenarbeiten so
bald wie möglich vergeben zu können wurden nun die fünf bewerbenden Teams gebeten, ihre Angebote
neu oder überarbeitet bis 23. August vorzulegen. Der Umbau des Kleinen Festspielhauses zu einem Haus für
Mozart gehöre für ihn zur Vision eines neu gestalteten Festspielbezirkes im Bereich des Marx-Reinhardt-Platzes.
Ein weiterer Eckpfeiler dieses Kulturbezirkes sei der Umbau der Großen Universitätsaula mit einem Neuzugang
vom Furtwängler-Park. Und schließlich werde auch die Universitäts- bzw. Kollegienkirche bis zum
Jahr 2006 einer Generalsanierung unterzogen werden. Damit werde dieses Barockjuwel
Fischer von Erlachs im Mozart-Jahr im neuen Glanz erstrahlen.
Die Salzburger Festspiele seien von Beginn an nicht nur Festspiele der Kultur gewesen. Eine der wichtigsten Ideen
von Hugo von Hofmannsthal sei die Friedensmission gewesen. Kunst und Kultur als Völker verbindendes Element.
Und diese Idee sei gerade auch die olympische Idee. Dementsprechend sei Salzburg ein idealer Platz, um Kultur und
Sport zu verknüpfen und so zum Frieden in der Welt beizutragen. Deshalb bewirbt sich Salzburg für die
Olympischen Winterspiele 2010, so Schausberger.
Die Salzburger Festspiele verstünden sich ihrem Ort in Geschichte und Geographie im Sinne von Stefan Zweig
als „europäisches Gedächtnis" verbunden, wie auch als Forum neuer ästhetischer Entwicklungen:
Nicht nur angesichts der großen politischen Herausforderung unserer Tage, der europäischen Einigung,
möchten die Festspiele den ganzen Reichtum und die Vielfalt der abendländischen Kultur präsentieren
und bewahren, von der Renaissance bis zur Gegenwart. Die Neubewertung des Schaffens von Festspielmitbegründer
Richard Strauss sowie die Auseinandersetzung mit den zentralen Opernwerken des 19. Jahrhunderts sowie dem neuen
Musiktheater sei daher zu begrüßen, so der Landeshauptmann weiter. Die Oper dürfe nicht zum Museum
erstarren oder sich auf einen eng begrenzten Kanon ewig gleicher Werke beschränken: Die Salzburger Festspiele
wollen deshalb auch eine künstlerische Werkstatt sein, in der Neues erdacht und erprobt wird. Ein weiterer
Schwerpunkt soll den Exilkomponisten gewidmet sein. Im Mozartjahr 2006 soll das gesamte Mozart-Repertoire neu erarbeitet
werden.
Den Festredner und Festspielintendant Prof. Dr. Peter Ruzicka würdigte der Landeshauptmann als erfolgreichen
Komponisten, Dirigenten, der hohes Ansehen in der Musikwelt genieße, Kulturmanager und kreativen Intellektuellen.
Ruzicka sei kein Anhänger inhaltsleerer Ruhe, vielmehr sollen nach seinen Vorstellungen Erregungen auf der
Bühne stattfinden und nicht drum herum.
Klestil: „Salzburger Aura" und Bühne Europas
Als „Bühne Europas" bezeichnete Bundespräsident Dr. Thomas Klestil die Mozartstadt und verwies auf
hochrangige Politik- und Wirtschaftsgipfel, deren Existenz er der „Salzburger Aura" zuschrieb. 1993 habe er
den Bundespräsidenten des damals gerade erst wiedervereinigten Deutschlands - sowie die Präsidenten der
beiden „Neuen Demokratien" Ungarn und Tschechoslowakei nach Salzburg eingeladen. Entstanden sei aus diesem
Runden Tisch der Vier jenes Forum der mitteleuropäischen Staatspräsidenten, das nunmehr jedes Jahr in
einem anderen Land zusammentritt – und dem mittlerweile 16 Staatsoberhäupter angehören. „Ich meine, man
könnte von einem guten Salzburger Geist sprechen, der sich da entfaltet hat und heute auch jenen Ländern
eine europäische Perspektive vermittelt, die nicht bereits bald Mitglieder der EU sein werden. Ich werde deshalb
auch im kommenden Jahr dieses größte europäische Forum auf der Ebene der Staatsoberhäupter
zum zehnjährigen Jubiläum wieder nach Salzburg einladen", versicherte Klestil. Vor acht Jahren konnte
Klestil auch hier in Salzburg erstmals die Patronanz für den Mittel- und Osteuropäischen Wirtschaftsgipfel
übernehmen. Bei dieser großen Veranstaltung des „Forums Davos" treffen seither jedes Jahr Staatspräsidenten,
Premierminister und Regierungsmitglieder aus ganz Europa in Salzburg mit den Spitzen von Industrie und Wirtschaft
aus aller Welt zusammen.
Klestil appellierte an die Intellektuellen und Künstler, an die Wissenschaftler und Medienverantwortlichen,
mitzuhelfen, dass Europa für alle Europäer offen ist. „Und lassen Sie nicht zu, dass Egoismus, Kleinmut
oder Zaghaftigkeit uns daran hindern, dieses Geschenk der Geschichte anzunehmen", so der Bundespräsident.
Die „Idee Europa" sei kein theoretisches Konstrukt gewesen, sondern habe den tiefen Hoffnungen und Erwartungen
der Menschen entsprochen. Die „-ismen" des 19. und 20. Jahrhunderts hätten sich als grausame Abirrungen
vom europäischen Weg erwiesen. „Und sie verloren spätestens zu jenem Zeitpunkt ihre Kraft, als eine geschundene
Generation begriff, was Nationalismus und Faschismus, Nazismus und Kommunismus angerichtet hatten", betonte
Klestil.
Bei alledem spielten Kunst und Kultur eine entscheidende Rolle. So lege gerade auch diese schöne Stadt Salzburg
für all das auf klassische Weise Zeugnis ab: Das „Rom des Nordens" schmückten Maler und Bildhauer
aus dem Süden, die Kirchen und Paläste wurden Stätten einer zeitlosen Kunst – und bäuerliche
Volkskultur verschränkte sich hier mit der Harmonie klassischer Weltmusik.
Im vor-nationalen Europa sei die Mobilität der Künstler von Land zu Land etwas durchaus Selbstverständliches
gewesen; so wie auch das Musizieren und Dichten, Spielen und Feiern der sichtbarste Ausdruck des europäischen
Selbstverständnisses der Völker Europas war und ist. „Muss es da nicht auch heute eine aktuelle Herausforderung
an die kulturellen Eliten sein, ihren Beitrag zu leisten für die aktuelle Zusammenführung aller Europäer
aus West und Ost, Nord und Süd? Und sollten wir die Erweiterung der Europäischen Union nicht als einzigartige
historische Chance begreifen?", gab Klestil zu bedenken.
„Wir dürfen uns nicht von den moderne Populisten und Opportunisten des Zeitgeistes beirren lassen, die mit
der Angst der Menschen spielen. Es geht bei der Erweiterung der Union um die dauerhafte Überwindung einer
Vergangenheit, in der nur Wenige das Schicksal Vieler bestimmt haben – und in dem der Kleinere die Macht des Größeren
fürchten musste. Die Erweiterung Europas ist daher die einzig richtige Lehre aus den Übeln der Kriege,
aus Erbfeindschaft und blutigen ethnischen Konflikten, aus Ausbeutung und Vertreibung", so der Bundespräsident. |
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Ruzicka: In Salzburg wird ein Stellvertreterkrieg geführt
Salzburgs neuer Festspielintendant beschäftigte sich in seiner Rede ausführlich mit Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft des Festivals. Er führte dabei unter anderem aus, dass es wie „ein unentrinnbares Gesetz"
scheine, „dass die schmetternden Fanfaren des Fortschrittsoptimismus unweigerlich die Klagegesänge und Jeremiaden
des Kulturpessimismus" nach sich zögen. Eines sei des anderen Schatten. Diese beiden geistesgeschichtlichen
Phänomene ließen sich ohneeinander gar nicht denken. In tiefer Hassliebe seien sie unlösbar verkettet
und verschweißt, „wie die feindlichen Brüder in Heinrich Heines Ballade, die noch über ihren Tod
hinaus als Gespenster die Klingen kreuzen." Das 19. Jahrhundert habe dem 20. nicht allein den Glauben an den
Fortschritt vererbt, auch wenn die konjunkturelle Begeisterung für neue Erfindungen und die Heilsversprechen
der Wissenschaft mitunter diesen Eindruck erweckten. Die Salzburger Festspiele jedenfalls seien eine Gründung
aus dem Geist des Kulturpessimismus gewesen.
Es erscheine wie eine bittere Ironie der Geschichte, sagte Ruzicka später in seiner Rede, dass die Salzburger
Festspiele, die einst als Bollwerk gegen den Ausverkauf des Abendlandes errichtet worden seien, nun selbst den
hochmütigen Spott der Kulturpessimisten auf sich zögen. „In Salzburg wird ein Stellvertreterkrieg geführt:
Alle Kritik, alle Zweifel und Bedenken, die sich gegen die staatlich subventionierte und sponsorengestützte
Festtagskultur richten, gegen die Geschäftemacherei mit der Kunst, den Talmiglanz gesellschaftlicher Repräsentation,
gegen die museale Ausrichtung der Spielpläne, werden hier symbolisch ausgefochten. Ein neuer Akt im Spiel
vom Ende der Feste wird aufgeführt, und der Ausgang des Stückes, das seine Urheber sich ganz anders ausgedacht
hatten, bleibt vorläufig im Ungewissen."
Programmatisch kündigte der Festspielintendant an, sich langfristig, Jahr für Jahr, mit einem Komponisten
auseinandersetzen zu wollen. Mit Mozart ohnehin. Aber auch mit Richard Strauss, über dessen Werk ihm noch
längst nicht das letzte Wort gesprochen scheine. Er sei vielmehr überzeugt, dass zwischen Bewunderung
und Geringschätzung ein weiter Spielraum bleibe für das Nachdenken über diesen Musiker, der in den
Kategorien des Fortschritts oder des Kulturkonservatismus nicht zu begreifen sei. Die Begegnung mit selten, ja
so gut wie nie aufgeführten Stücken werde unweigerlich das Urteil einer selbstgerechten Nachwelt korrigieren
und die Musik von Richard Strauss in ein neues Licht rücken. Weiter wollen sich die Festspiele auch jenen
österreichischen Musikern widmen, deren Weg in die Emigration führte, oft ohne Wiederkehr, und deren
Schaffen unter das Verdikt der „Entartung" fiel. Zemlinsky, Wellesz, Korngold und auch der 1934 verstorbene
Franz Schreker sollen nach dem Willen Ruzickas in Salzburg eine endgültige und unwiderrufliche Rehabilitierung
erfahren.
Die Sinnkrise der Künste und Institutionen, von der er auch sprach, die Existenzfrage der Festspiele spiegle
nur das Orientierungsdefizit wider, in dem sich unsere Zeit und unser Kontinent insgesamt befänden. Die Generationen
eines Franz Schubert oder Johannes Brahms hätten die Geschichte ihrer Vorväter als verantwortungsschwere
Bürde und kaum erträgliche Last empfunden, als eine geradezu schicksalhafte Entmutigung: Daher auch die
Verachtung für die eigene Epoche und das eigene Schaffen. Dieses Lebensgefühl sollte sich, so Ruzicka,
im 20. Jahrhundert schließlich zu einer fatalen Gleichgültigkeit verdichten, zu einem orientierungslosen
Bewusstsein, dem alles beliebig und austauschbar erschien. Die Existenz als ermüdendes Déjà-vu-Erlebnis.
„War nicht alles schon gesagt und zudem auf jede nur erdenkliche Weise? Im Theater dasselbe: Wotan mit dem Speer,
Wotan mit der Aktentasche, Wotan mit dem Laptop: Alles schon gehabt! Aber muss uns dieses Wissen, dass nichts wirklich
Neues und Bahnbrechendes mehr zu sagen bleibt, wie ein lähmendes Gift paralysieren?" Der Wiener Psychiater
Viktor E. Frankl hätte den klugen therapeutischen Rat gegeben, wir sollten uns als „Optimisten der Vergangenheit"
versuchen.
Das Programm der diesjährigen Salzburger Festspiele, führte Festspielintendant Ruzicka weiter aus, umfasse
viele Werke, die nur als Fragmente überliefert seien. Ein früher Tod habe Mozart gehindert, sein Requiem
zu vollenden. Aber Anton Bruckner wäre wohl mit seiner Neunten Symphonie, Giacomo Puccini wäre mit seiner
„Turandot" nie zu einem Schluss gekommen, selbst wenn sie noch viele Jahre gelebt hätten und nicht über
der Arbeit an diesen Partituren gestorben wären. Wie auch Franz Schubert die Komposition seiner h-Moll-Symphonie
im dritten Satz abbrach und nie wieder aufnahm. Diese Torsi seien ein Gleichnis für das Fragmentarische menschlichen
Lebens und Schaffens, ein Memento mori. Aber diese Fragmente bedeuteten auch eine ungeheure Herausforderung. Sie
ermutigten uns, etwas Neues zu beginnen, etwas Großes zu wagen, selbst auf die Gefahr, dass wir es nicht
mehr vollenden können.
Abschließend erklärte Ruzicka: „Wir sind Boten. Uns ist etwas aufgetragen, das unser Leben verändern
kann, das wir aber unter keinen Umständen für uns behalten dürfen. Unser Beruf ist das Weitersagen."
Nach einem Beispiel für dieses Weitersagen aus einer Geschichte aus Thornton Wilders Roman „Der achte Schöpfungstag"
schloss er: „Denn wir sind Boten. Sendboten des Glücks, Zwischenträger der Wahrheit, Überbringer
der Hoffnung. Und wir sollten nie vergessen, dass die Botschaft größer ist als der Bote."
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