Der nicht abgeschickte Leserbrief . . .
leider (?) liegengeblieben am 01. Oktober 2001

 
     

Sehr geehrter Herr Redakteur!

Ich möcht Ihnen sagen, wie mir die ganzen Fachleute leid tun werden, wenn die 1287ten Wiederholungen von die Amatörviedeos von New York ein Ende haben. Wieso? Na, das kann ich Ihnen sagen.

Noch nie hab ich gewußt, daß es so wahnsinnig viele Fachleute gibt bei uns was den Terror angeht. Aber nicht nur bei uns, zu Hause, sondern auch auf die deutschen Sender, die welche wir über die Schüssel (nicht über  d e n , hihi) - zum Sehen bekommen. Es war kein Abend, an dem nicht eine große Runde von Leuten im Fernsehen gesessen ist, wo nicht lauter Fachleute waren, die was verstehen von dem. Von der Politik nämlich, vom Terror, vom Fliegen, vom Nordirland, vom Islam, von die Juden in Israel und von die Palestinenser, die wo da unten irgendwo wohnen oder zu Hause sein wollen oder was, vom Leben und von die anderen.

Also, alle sinds so gscheit und so gebildet, daß ich mir denk, was machen die sonst, wenns keinen Terror gibt. Einem bin ich draufgekommen, was der sonst macht: der ist ein „Autor“. Na und?, wern Sie jetzt wissen wollen von mir, viele von die wichtigen Männer haben zerst schreiben gelernt, ein paar sind wirklich wichtig g´worden (wie der Havel aus Prag, wenn er so heißt. Der hat nämlich nicht nur schreiben können, der ist auch einer von die, die wo was wissen von was sie reden).

Und des ist jetzt des, was ich sagen wollt: Seit dem 11. September, der wo mir die nächsten Generationen wird nicht aus dem Kopf gehen wollen, weil es so furchtbar war daß man es gar nicht sagen kann, seit dem 11. September gibt es um 176 Prozente mehr als Fachleute wie vorher. A richtige Inflation von Fachleut. Und jeder weiß, wie der andere denkt, jeder weiß, was der andere will, und jeder weiß eh schon, was der andere sagen will. Und dann gibts noch die besonders Gscheiten, die wo vorne sitzen und - weil sie selber nicht recht wissen was das alles soll - selber nix sagen, sondern nur daherschwafeln und die anderen zum Reden einteilen.

Und dann gibt´s im Fernsehen eine Sendung, wo uns gesagt wird, da geht es darum ob es Krieg wird oder nicht. Eh so spät, daß nicht viel schauen können, weils nach ein paar Stunden schon wieder arbeiten müssen. Und wir sind aufgeblieben, weil wir wissen wollen, ob es einen Krieg gibt oder nicht.

Und da steht einer vorn, im Fernsehen, der genau weiß, um was es geht. Und ich hab meine Frau gefragt, ob sie den kennt, der wo so viel weiß, ob es Krieg geben wird bei uns oder nicht. Sie hat gesagt, daß sie den Namen schon gehört hat. Ich hab den Namen auch schon gehört. Er ist ein „Autor“. Ein Spezialist also für Terror, Krieg und internationale Beziehungen? Im Grunde genommen hat er so viel Ahnung von der Materie wie ich vom Fliegen: absolut keine. Wer kommt auf die Idee, jemanden in eine – zumindest konnte man es erwarten – Sendung einzuladen, von der sich der Zuschauer kompetente Information erwartete?

Und hier werde ich ernst: Der Geladene mag als Schriftsteller Anerkennung verdienen. Aber reicht es denn wirklich – und das erschreckt mich zutiefst – eine gewisse Zahl an Büchern verkauft zu haben um das Recht (?) zu erlangen, zig-Tausende Zuseher einer an sich seriösen Nachrichtensendung in Angst und Schrecken zu versetzen? Da sind mir wohl die „farblosen“ Fachleute hundertmal lieber mit ihren trockenen und meist unspektakulären Aussagen, auf die man halbwegs zählen kann (die geizen nicht damit festzustellen, daß sie von eine „Amalyse“ sprechen) als die, die sich der eine oder andere TV-Sender zum 1287ten Mal aus der letzten Reihe holt. Nur weil er einen „Namen“ hat(te?).

Aber jetzt, wo ich weiß, daß nach Ihneren vielen Berichte über 90 Prozent von den Fachleuten eh wissen, was wir glauben sollen, bin ich wieder beruhigt.

Dafür wollte ich mich bei Ihnen bedanken!

Ihr treuer Leser

Michael M.

P.S.: Die vielen Fachleut, die wo echt welche sind, brauchen sich nicht ärgern, weil die habe ich ja nicht gemeint. Die warn ja auch schon vorher welche!

(Name und Schreibweise der ÖJ-Redaktion „bestens“ bekannt)