Thema Neuwahlen – 23. September 2002

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Brok: Benesch-Dekrete: Kein unüberbrückbares Hindernis für den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union
Brüssel (eu.int) - Nach Vorlage des Gutachtens von Professor Jochen Frowein (D) über die Auswirkungen der Benesch-Dekrete auf den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union - die Teilgutachten von Professor Ulf Bernitz (S) und Christopher Prout (UK) liegen noch nicht vor - hat am Montag (29. 09.) der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Elmar Brok, folgende erste Bewertung vor dem Auswärtigen Ausschuß abgegeben: "Entsprechend den Schlußfolgerungen des Gutachtens stellen die Benesch-Dekrete kein unüberbrückbares Hindernis für den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union dar.
Allerdings sollte nach Froweins Ansicht hinsichtlich der Amnestie-Dekrete eine politische Geste des Bedauerns seitens der tschechischen Seite gemacht werden, vergleichbar wie in der Deutsch-Tschechischen-Erklärung aus dem Jahre 1997, damit auch österreichischen und ungarischen Interessen nachgekommen wird.
Zweitens muß im Einzelfalle geprüft werden, daß Personen, die in Abwesenheit aufgrund der Benesch-Dekrete verurteilt worden sind, nicht mehr verfolgt werden können.
Drittens übernimmt die Tschechische Republik beim Beitritt zur Europäischen Union vollständig die EU-Gesetzesordnung. Im Falle eines Verstoßes gegen das Diskriminierungs-Verbot muß die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge beim Europäischen Gerichtshof klagen. Auch jede betroffenen Einzelperson hat das Recht dazu, wenn es Verstöße in der Praxis vermutet."
Brok wird bereits morgen mit dem tschechischen Außenminister Svoboda über das Gutachten reden.
Eine endgültige Bewertung der Ergebnisse des Gutachtens werden die Mitglieder des Außenpolitischen Ausschusses und das Plenum des Europäischen Parlaments, auch nach Aussprache mit Prof. Frowein, die am 7. Oktober im Außenpolitischen Ausschuß des EP stattfinden soll, vornehmen.

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Swoboda: Jetzt mit Fingerspitzengefühl gemeinsame europäische Haltung zu Benes-Dekreten entwickeln
Wien (sk) - "Nach den bisher bekannt gewordenen Details zum vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Gutachten zu den Benes-Dekreten wird jene Linie bestätigt, die ich von Anbeginn an vertreten habe: Neben einer allgemein-rechtlichen Prüfung könnte sich vor allem das Straffreistellungsgesetz als Problem herausstellen", erklärte der Leiter der SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament am Montag (29. 09.) gegenüber dem Pressedienst der SPÖ.
Jetzt müsse mit "Fingerspitzengefühl eine gemeinsame europäische Beurteilung" der Dekrete erarbeitet werden.
Swoboda hatte gemeinsam mit anderen Parteienvertretern folgenden Änderungsantrag (Ziffer 33) zum Brok-Bericht über den Stand der Beitrittsverhandlungen ausverhandelt:
"Nimmt die Erklärung des tschechischen Parlaments vom 24. April 2002 und die der Regierung zur Kenntnis, dass auf der Grundlage der Präsidentendekrete und der Nachkriegsgesetzgebung heute keine neuen Rechtsbeziehungen mehr entstehen können; erwartet von der Tschechischen Republik, dass für den Fall, die gegenwärtige tschechische Rechtsordnung enthalte - z.B. auf Grund dieser Dekrete - immer noch wirksame diskriminierende Formulierungen - z.B. hinsichtlich pauschaler Straffreistellungen - , die dem aquis communautaire widersprechen, diese spätestens zum Zeitpunkt des EU-Beitritts der Tschechischen Republik beseitigt sind; wird seine endgültige Stellungnahme hierzu nach Erhalt des angeforderten Rechtsgutachtens abgeben."
"Als Österreicher wissen wir, wie schwierig es ist, unter Druck von außen das Richtige zu tun. Gerade die Geschichte Österreichs verpflichtet uns, nun mit der Tschechischen Republik und Ungarn zu einem gemeinsamen Verständnis beizutragen", schloss Swoboda.

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Stenzel begrüßt Froweins-Gutachten
Veto-Keule ist nicht die richtige Antwort auf die noch offenen Fragen
Brüssel (evp-pd) - "Die bis jetzt bekanntgewordenen Inhalte des Frowein-Gutachtens zu den Benes-Dekreten sind im Prinzip zu begrüßen. Das Gutachten trägt zu einer Versachlichung der Diskussion über die Benes-Dekrete bei und hält die Debatte weiterhin auf einer hohen europäischen Ebene", sagte die ÖVP-Delegationsleiterin und Vorsitzende des gemischt-parlamentarischen Ausschusses EU-Tschechien im Europäischen Parlament, Ursula Stenzel, in einer ersten Reaktion.
Darüber hinaus unterstütze das Frowein-Gutachten auch die Politik der ÖVP in dieser Frage. "Es war immer unsere feste Überzeugung, dass kollektive Vertreibungen Unrecht waren und für Unrecht auch die moralische Verantwortung übernommen werden muss", betonte Stenzel.
So weit man die bisher vorliegenden Informationen bewerten könne, lasse das Gutachten auch Spielraum für bilaterale Verhandlungen, die durch das Gutachten ganz und gar nicht gegenstandslos würden. "Ich hoffe vielmehr, dass dieses Gutachten eine politische Lösung zwischen Österreich und der Tschechischen Republik erleichtern wird", so Stenzel. Sie gründe ihre Hoffnung darauf, dass Professor Frowein offenbar eine politische Erklärung in Form einer Versöhnungserklärung für empfehlenswert halte, ähnlich wie dies in der deutsch-tschechischen Erklärung von 1997 der Fall gewesen sei.
Was die Frage von Verurteilungen gegenüber sogenannten Kollaborateuren nach 1945 betreffe, empfiehlt das Gutachten eine Überprüfung der tschechischen Gesetzgebung. "Grundsätzlich scheint Frowein die Rechtsauffassung zu bestätigen, dass Fragen der Restitution und der Staatsbürgerschaft keine Beitrittsrelevanz haben, da sie nicht mit dem Rechtsbestand der EU in Verbindung gebracht werden könnten", sagte Stenzel. Da die Frage der durch die Benes-Dekrete ausgelösten Vertreibung und Enteignung der Sudetendeutschen und Ungarn nach 1945 aber nicht nur rechtliche, sondern auch politische und moralische Aspekte habe, könne dieses Gutachten einen Beitrag zur Lösung der offenen Frage bis zum Beitritt der Tschechischen Republik in die EU leisten. "Eine Veto-Keule ist sicherlich nicht die richtige Antwort auf diese Fragen", sagte Stenzel abschließend.

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Fischer: Frowein-Bericht ist Beitrag einer Versachlichung der Diskussion über Benes-Dekrete
Wien (pk) - Nationalratspräsident Heinz Fischer sagte am Montag (29. 09.) zum bisher bekanntgewordenen Inhalt des Frowein-Berichtes, dass sich daraus eine gute Chance für ein konstruktives Herangehen an den Erweiterungsprozess einschließlich des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union ergibt, weil die Mitgliedstaaten der EU einschließlich Österreich davon ausgehen können, dass durch den Beitritt der Tschechischen Republik die Kopenhagen-Kriterien nicht verletzt werden.
Die Frage, welche Rechtswirkungen heute und in Zukunft von den sogenannten Benes-Dekreten ausgehen, ist von anerkannten Autoritäten aus Deutschland, Schweden und Großbritannien untersucht und in einer für Europa zufriedenstellenden Weise beantwortet worden.
Ebenso überzeugend und glaubwürdig ist der Frowein-Bericht - wiederum unter der Voraussetzung, dass der endgültige Wortlaut mit dem bisher bekanntgewordenen Inhalt übereinstimmt - wenn er sich in kritischer Weise mit dem sogenannten Amnestiegesetz aus dem Jahr 1946 auseinandersetzt. Eine Erklärung von hochrangiger tschechischer Seite, in der aus heutiger Sicht in versöhnlicher Weise und in europäischer Gesinnung zu den tragischen Ereignissen vor mehr als 50 Jahren Stellung genommen wird, wäre sicher hilfreich und wertvoll, sagte der Nationalratspräsident.
Das Gutachten der drei Experten unter Federführung von Professor Frowein sollte jedenfalls in der Lage sein, die Diskussion über die Relevanz der sogenannten Benes-Dekrete für die europäische Zukunft zu versachlichen und zu objektivieren, und es den 15 EU-Staaten einschließlich Österreich erleichtern, eine gemeinsame und konstruktive Haltung zum EU-Beitritt der Tschechischen Republik zu finden. In diesem Sinne ist es auch zu begrüßen, dass Österreich sich im Zuge der heute und morgen stattfindenden EU-Außenministerkonferenz verpflichtet, die Schlussfolgerungen der Expertenkommission entsprechend zu berücksichtigen, schloss Fischer.

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Reichhold: "FPÖ beharrt auf Aufhebung der menschenrechtswidrigen Benes-Dekrete"
"Enteignung, Mord und Vertreibung können nicht mit der europäischen Wertegemeinschaft kompatibel sein"
Wien (fpd) - "Nicht Historiker, sondern Politiker müssen die Frage der EU-Kompatibilität der menschenrechtswidrigen Benes-Dekrete entscheiden", sagte FPÖ-Bundesparteiobmann BM Mathias Reichhold zum Gutachten des deutschen Völkerrechtlers Jochen Frowein.
"Das letzte Wort kann damit noch keinesfalls gesprochen sein", so Reichhold, denn die große Mehrheit europäischer Politiker sieht die klar menschenrechtswidrigen Benes-Dekrete sowie die Amnestiegesetze sehr wohl als Hinderungsgrund für den Beitritt Tschechiens zur europäischen Wertegemeinschaft".
Darüber hinaus sei die Meinung Froweins diametral gegen die Position des Europäischen Rates von Kopenhagen gerichtet, in der ohne Wenn und Aber als Voraussetzung für die Mitgliedschaft der Beitrittskandidaten die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und der Schutz von Minderheiten festgelegt sei. Außerdem sei eine tiefgehende Analyse dieses Gutachtens noch vorzunehmen, erklärte Reichhold.
Bei den Benes-Dekreten handle es sich jedenfalls um eine besonders schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte. Im konkreten gehe es um eine Vielzahl von Gesetzen mit zum Teil rassistischen Bestimmungen, die sich gegen die deutschen, aber auch ungarischen Bevölkerungsteile der ehemaligen tschechischen Republik gerichtet haben sowie die Grundlage für Enteignung, Vertreibung und auch Mord dargestellt haben, so Reichhold.
Diese Radikalwende der EU in elementaren Menschenrechtsfragen stelle das gesamte Projekt der europäischen Wertegemeinschaft in Frage und sei alles andere als ein geeignetes Signal für eine gedeihliche Erweiterung der EU. "Wenn es nicht einmal gelingt, in den grundlegendsten Fragen, wie etwa den Menschenrechten, eine zukunftstaugliche Lösung herbeizuführen, wird die EU auch in anderen wichtigen Fragen zum Scheitern verurteilt sein", warnte Reichhold. Die EU sei im wesentlichen ein großes Friedensprojekt. Wenn Rechtsbestimmungen wie die Benes-Dekrete in den einzelnen Mitglieds.

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Benes-Dekrete laut Frowein-Bericht kein Beitrittshindernis
Lunacek: Veto-Drohungen gegen EU-Beitritt Tschechiens beenden
Wien (grüne) - Die bisher bekannt gewordenen Teile des Frowein-Berichtes, in denen die tschechische Verfassung inklusive der Beneš-Dekrete als ‚nicht inkompatibel’ mit dem geltenden EU-Recht bezeichnet wird, bestätigen, dass die Beneš-Dekrete kein Beitrittshindernis sind.
„Der Frowein-Bericht macht damit deutlich, dass alle Vetodrohungen gegen Tschechien, die wegen der Beneš-Dekrete seitens der FPÖ ausgesprochen wurden, jeder sachlichen Grundlage entbehren“, so Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen.
Enttäuschend ist für Lunacek, dass Außenministerin Ferrero-Waldner, die den Eskapaden der FPÖ wenig entgegengesetzt hat, nun den Frowein-Bericht auf moralischer Ebene kritisiert. „Die ÖVP, die sich selbst immer als die Europapartei bezeichnet hat, verrät damit ihre eigene Linie, weil sie offensichtlich die Tschechien-feindlichen Lager ansprechen will“, so Lunacek.
„Wichtig ist, jene Kräfte in der Tschechischen Republik zu stützen, die sich innerstaatlich für eine Beseitigung jener Teile der Dekrete einsetzen, die zu Recht umstritten sind. Der Frowein-Bericht scheint genau in diese Richtung zu gehen“, so Lunacek.

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