Sozialpolitik – Pensionsreform – ÖVP-Bundesparteitag in Linz  

erstellt am
28. 04. 03

 Schüssel: »In die Verantwortung gewählt, nicht in das Verschieben«
»Möglich, Tradition und Moderne zu vereinen«
Linz (övp-pd) - "Wir haben Österreich in schwierigen Zeiten immer auf Kurs gehalten. Das wurde honoriert. Wir wurden in die Verantwortung gewählt, nicht in das Verschieben", mit diesen Worten hat ÖVP-Bundesparteiobmann Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel am Samstag (26. 04.) seine Rede am 32. Ordentlichen Bundesparteitag der ÖVP in Linz eingeleitet.

Das Wahlergebnis vom 24. November des Vorjahres sei nicht zufällig entstanden, so Schüssel. Es sei das Ergebnis von 4 Jahren harter und professioneller Arbeit für Österreich. "Wir haben gezeigt, dass es möglich ist Tradition und Moderne zu vereinen. Dass es möglich ist, zu bewahren, aber auch zu bewegen, zu verändern. Wir sind eine konservative und zugleich die modernste Partei Österreichs geworden. Das ist wichtig, weil Österreich beides braucht: Das Verändern und das Bewahren, die Tradition und die Moderne."

Wenn man die Augen hebe über die Probleme die Österreich täglich bewegen, so werde offenkundig, dass die Welt nicht einfach sei, dass eine Fülle von Problemen zu bewältigen seien. Gemeinsam mit anderen könne Österreich dazu viel beitragen, so Schüssel. So habe sich Österreich in der Frage der Irak-Krise klug verhalten. "Wir haben einen nationalen Konsens in der Positionierung Österreichs zustande gebracht. Das war ein Beispiel, wie sich Österreich in der Welt präsentieren kann und soll. Wir sind richtig damit gelegen, dass wir eine gut ausgewonene Positionierung eingenommen haben", betonte Schüssel.

In Europa sei jetzt die Zeit gekommen, nicht nur eine erfolgreiche Wirtschaftsunion mit einer erfolgreichen Eurozone zu sein, sondern auch politisch zusammenzukommen. Hier habe Österreich eine Menge zu leisten. Ein Vordenker dessen sei Alois Mock, der schon 1995, beim Beitritt Österreichs zu Europäischen Union, an die nächste Runde der Erweiterung gedacht habe, so Schüssel. Das um zehn neue Mitgliedsländer erweiterte Europa sei ein Europa "von dem wir immer geträumt haben und jetzt lohnt es sich, für dieses Europa zu arbeiten. Wir vereinen ja nicht nur die Staaten, sondern die Menschen."

Schüssel betonte, dass die EU-Erweiterung für Österreich eine Jahrhundertchance sei. "Zum ersten Mal haben wir jetzt wirklich die Möglichkeit in guter Nachbarschaft zu leben. Nicht mit Vetodrohungen, nicht mit der großen Keule, sondern mit mühsamen, partnerschaftlichen Gesprächen. Diese Zukunft beginnt und auf sie können wir uns zurecht freuen."
   

Wählerauftrag galt Umsetzern, nicht Zögerern und Zauderern
"Volkspartei heißt auch, eine Stimme für den sozialen Zusammenhalt zu sein", so Schüssel weiter. Eine Stimme "für die Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung, für Begleitmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, Junge, Wiedereinstieg für Frauen, ältere Mitarbeiter. Diese Stimme will und muss ich selbst sein", erklärte der Bundeskanzler. Das heiße auch, Verantwortung zu übernehmen. "Dafür sind wir auch gewählt worden, weil wir bereit waren, Verantwortung zu übernehmen", so Schüssel. Der Wählerauftrag habe nicht den Zögerern und Zauderern, den Aufschiebern, gegolten, sondern den Umsetzern. "Nicht auf der langen Bank werden die Probleme gelöst, sondern am Verhandlungstisch", so der Bundeskanzler.

"Als ich zum ersten Mal zum Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt wurde, habe ich gefordert, die ÖVP muss eine starke Stimme für die Familien sein. Wir haben Wort gehalten", so Schüssel. In den letzten Jahren habe man hier wichtige Maßnahmen wie das Kindergeld, die pensionsbegründende Anrechnung von 24 Monaten für Kindererziehungszeiten, die Familienhospizkarenz und den Anspruch auf Pflegegeld gleich nach der Geburt eines behinderten Kindes gesetzt. "Wo sind alle, die jahrzehntelang Zeit gehabt haben, das umzusetzen? Wir haben das alles in wenigen Monaten zusammengebracht", so Schüssel. Diese Stimme für die Familien brauche auch ein Gesicht, "und das ist unsere Frauenministerin Maria Rauch-Kallat. Danke für Deine Arbeit", sagte der Bundesparteiobmann.

"Ich habe vor acht Jahren eine starke Stimme für die Kinder gefordert", sagte Schüssel. Dies sei in der Bildung verwirklicht worden, einem der Schwerpunkte der Regierungsarbeit. "Jeder siebente Euro aus dem Bundesbudget wird heute für die Bildung, für eine erstklassige Lebenschance für die junge Generation eingesetzt", so Schüssel. Den Erfolg beweise die Pisa-Studie. Auch die Einführung der Fachhochschulen sei ein sensationelle Erfolg für Erhard Busek und Elisabeth Gehrer gewesen, so wie jetzt die Unireform, die viele Diskussionen ausgelöst habe, "und heute glatt und reibungslos über Bühne geht", so Schüssel. Ebenso wichtig sei die "endlich thematisierte Schülerentlastung". Auch diese Stimme habe ein Gesicht, das "sympathische, manchmal strenge, fröhliche der Elisabeth Gehrer."

Vor allem in Sicherheitsfragen müsse die ÖVP "eine Stimme für einen starken Staat sein", so Schüssel, obwohl er ansonsten für weniger Staat eintrete. Ein "gewaltiger Sprung" sei erreicht durch die erstmalige Zusammenlegung der Exekutive in einer Hand. Weiters wolle man eine gewaltige Bundesheerreform diskutieren, die sicherstellen solle, dass "das Bundesheer nach wie vor eine Aufgabe habe". Man dürfe hier keine halben Sachen machen, denn "nicht mit Luftballons oder Ferngläsern ist der Luftraum zu schützen, das geht nur dank eines effizienten, gut ausgerichteten Bundesheeres, das ernst genommen und von uns allen getragen wird", sagte der Bundeskanzler. Diese Stimmen für die Sicherheit seien Innenminister Ernst Strasser und Verteidigungsminister Günther Platter.

Schüssel habe gefordert, die ÖVP müsse eine starke Stimme für den Mittelstand sein. "Wir haben Wort gehalten, wir haben die Lohnnebenkosten gesenkt." Noch in diesem Jahr werde das dreizehnte Umsatzsteuermonat abgeschafft und der nichtentnommene Gewinn deutlich steuerlich entlastend. "60 000 Betriebe gibt es heuer mehr als 1995. Die Persönlichkeit mit dieser starken Stimme heißt Martin Bartestein", sagte der Bundeskanzler.

Die ÖVP müsse weiters eine starke Stimme für Natur und Heimat sein. Hier sei auch wichtig, dass österreichisches Wasser in österreichischer Hand bleibe. "Das ist nicht nur Rhetorik, das ist ein Herzensanliegen für uns alle", so Schüssel. Zum ersten Mal gebe es eine Klimaschutzmilliarde im Budget, endlich würden die Maßnahmen zur Lebensmittelsicherheit wirksam, und zum ersten Mal sei vorgesehen, Tierschutz in der Verfassung vernünftig zu regeln. "Das ist ein großer Erfolg von zwei Persönlichkeiten, von Wilhelm Molterer für die Vergangenheit und Josef Pröll für Zukunft", so Schüssel.

"Die ÖVP muss eine laute Stimme gegen Gewalt und Radikalismus in der Welt sein", so der Bundeskanzler. Hier habe man viel Wert auf die Bewahrung der Kinderrechte gelegt. Auch die Restitutionsfrage sei gelöst worden, "von unserer Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, dieser starken Stimme für Menschenrechte".

Die ÖVP müsse auch eine starke Stimme für die Steuerzahler sein. "Keine neuen Schulden mehr machen in guten Zeiten, aber auch Entlastungen für die Belebung der Konjunktur", Hochwasserhilfe, zwei Steuerentlastungen, diese "Stimme für Steuerzahler", seien der parteiunabhängige, "aber bei uns höchst willkommene" Karl-Heinz Grasser und "unser Wiener Landesparteiobmann" Staatssekretär Alfred Finz. 
   

Maßvolle Einschnitte heute oder dramatische Einbußen morgen
Zur Pensionssicherungsreform sagte der Bundeskanzler, der Blick über die Grenzen zeige zwei Lösungsmodelle. Auf der einen Seite die - oft sozialdemokratisch regierten - skandinavischen Länder, die rechtzeitig gehandelt hätten. Diese hätten heute die Kraft, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gegensteuern zu können. Auf der anderen Seite stünde Deutschland. Dort habe die rot-grüne Regierung vier Jahre lang den leichten, angenehmen Weg gewählt. "Jetzt, wo sich die Probleme nicht endlos verdrängen lassen, sie einfach hervorbrechen auf allen Ebenen, in der Rentenproblematik, im Gesundheitssystem, auf dem Arbeitsmarkt, müssen die Einschnitte härter ausfallen, als je zuvor."

"Diese zwei Modelle sollten uns Anlass geben zu bedenken: Man muss Reformen rechtzeitig angehen, darf sie nicht verschieben, sonst werden die Probleme nur noch schwieriger. Dazu haben wir bei den letzen Wahlen die Verantwortung übertragen bekommen", so Schüssel. Niemand könne Pensionen garantieren. Diese hingen von verschiedenen Faktoren ab: "Haben wir Wachstum, haben wir Beschäftigung, dann hält der Generationenvertrag. Haben wir Mut zum Kind, dann hält der Generationenvertrag. Sind die Rahmenbedingungen so, dass sie finanzierbar und verkraftbar sind, dann hält der Generationenvertrag. Wenn auch nur eines auslässt, dann nützt der beste oder schönste oder nettest gemeinte Pensionistenbrief nichts. Dann sind wir in einer ganz, ganz schwierigen Situation."

"Keiner der zwei Millionen Pensionisten von heute ist von unseren Maßnahmen betroffen, niemand, der heute schon in Pension gehen könnte, wird für die Zukunft von irgendeiner Maßnahme, die wir treffen, betroffen sein. Absolute Rechte, soweit sie bisher schon entstanden sind, werden gewahrt." Andernfalls würde ein Run auf die Frühpension einsetzen. Und das sei das Gegenteil von dem, was die Regierung mit ihren Maßnahmen erreichen wolle. "Wir wollen die Menschen länger in Arbeit halten, weil wir ihre Erfahrung brauchen und weil wir auch in der Wirtschaft nicht auf sie verzichten können", so Schüssel. "Ich habe genau zugehört, was viele Delegierte gestern verlangt haben: Gerechtigkeit. Das ist ein Schlüsselwort für moderne, gute Politik. Und es ist nicht gerecht zuzuwarten, bis in Zukunft ein Arbeitnehmer einen Pensionisten erhalten muss. Das ist fahrlässig." In der Frage der Harmonisierung der unterschiedlichen Pensionssysteme versicherte Schüssel, dass die Regierung zeitgleich mit der Pensionssicherungsreform eine Punktation im Parlament zur Abstimmung bringen, in der die "Eckpunkte dieser Harmonisierung gleich ein für alle Mal festgehalten werden. Damit die Menschen Vertrauen haben in die Zukunft." Dabei müsse klar sein, dass alle, "auch die Politiker, hier voll eingebunden sein müssen. Dass sie genauso im Zeitsprung, in den Abschlägen und dazu ein spürbares Solidaropfer zu erbringen haben, damit diese Pensionssicherungsreform glaubwürdig ist und Vertrauen bei den Menschen schafft. Ich habe euren Wunsch gehört und ich nehme ihn auf", so der Bundeskanzler in Richtung der ÖVP- Delegierten am Bundesparteitag.

Zu den Sozialpartnern "Sozialpartnerschaft heißt für mich Reden, Diskutieren, Verhandeln. Sozialpartnerschaft heißt für mich nicht, dass man den Weg des Gesprächs verlässt, wie dies jetzt manche sozialdemokratische Gewerkschafter vorschnell versuchen. In der Demokratie wird immer noch im Parlament entschieden, nicht auf der Straße." Schüssel wiederholte seine Einladung an die Sozialpartner, mit der Regierung gemeinsam während der parlamentarischen Beratungen um die Pensionssicherungsreform mitzuarbeiten. Das "Gerücht", er habe die Sozialpartner "abblitzen lassen" und die ihm entgegengestreckte Hand nicht ergriffen, entbehre jeder Grundlage. Er strecke vielmehr sogar beide Hände in Richtung Sozialpartner aus. In diesem Zusammenhang richtete der ÖVP-Obmann einen Appell an die Sozialpartner: "Arbeitet mit, im Interesse Österreichs! Lasst die Streiks, das ist kein österreichischer Weg!"

"Wir haben die Wahl: Heute maßvolle Einschnitte oder morgen dramatische Einbußen. Wir dürfen nichts Unzumutbares verlangen, wir müssen aber das Notwendige tun. Alle spüren, dass etwas getan werden muss, aber wir sind die einzige Partei, die es ernst meint!" Der Unterschied zwischen der ÖVP und anderen Parteien sei, dass die anderen nur "davon reden, wir können regieren, wir können Politik machen. Wir halten, was wir versprechen. Wir sagen vielleicht nicht immer angenehme Unwahrheiten, sondern manchmal auch unangenehme Wahrheiten. Aber die Menschen können dem trauen, was wir sagen.Wir denken nicht nur an unsere Zeit, wir denken auch an unsere Kinder." Die ausführliche und besonnene Diskussion am gestrigen ersten Tag des Bundesparteitags habe gezeigt, dass die ÖVP zusammenstehe. "Ich bin stolz auf die ÖVP, stolz auf eine Partei, in der eine derartige Diskussionskultur herrscht!"

Schüssel erinnerte abschließend daran, dass er im Wahlkampf von einem Journalisten als Landeshauptmann von Österreich bezeichnet worden sei. Er könne sich "kein schöneres Kompliment vorstellen", so der Bundeskanzler. Denn die Bürgernähe, die Art in der die Landeshauptleute ihre Verantwortung gegenüber den Menschen wahrnehmen würden, müsse auch für die Bundespolitik Vorbildwirkung haben. "Kein Problem darf zu klein sein und keines zu groß. Wir dürfen kein Problem wegdrängen oder davor flüchten." Schließlich habe der Wille zur Verantwortung, der Weg der Veränderung die ÖVP zur Nummer eins gemacht. "Und das wollen wir bleiben", schloss Schüssel.
     
siehe Stellungnahmen der SPÖ und der FPÖ    
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