Städte fordern Aufgaben-Reform vor dem nächsten Finanzausgleich – Aktueller "Städtebarometer":
Keine Privatisierung der kommunalen Dienstleistungen, Wohnen ist wichtiges Anliegen
Graz/Wien (rk) - Die aktuelle Hochwasser-Situation in Südost-Europa begleitete am 04.06. die Pressekonferenz
vor der Eröffnung des 64. Österreichischen Städtetages in Graz: Städtebund-Präsident,
Bürgermeister Michael Häupl sprach der Bevölkerung seine Anteilnahme aus und dankte im Namen des
Österreichischen Städtebundes auch den vielen Freiwilligen aus Österreich, die nach Südost-Europa
gefahren sind, um zu helfen.
In seiner Begrüßungsrede betonte der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl die besondere Verantwortung
der BürgermeisterInnen und Bürgermeister: "Wir dürfen nicht in den Kanon der Negativbeschwörungen
einstimmen, sondern das Vertrauen der Menschen stärken", so Nagl. Er hob drei Herausforderungen für
die Städte hervor: die Förderung von Bildung und Innovation, das friedliche Zusammenleben in Städten
und die Themen Mobilität und Wohnen - diese Bereiche seien entscheidend dafür, "wie wir in Zukunft
leben werden", so Nagl.
Städtebund-Präsident und Bürgermeister Michael Häupl ging in seiner Eröffnungsrede auf
das starke Wachstum der Städte ein: bereits zwei Drittel der Menschen in Österreich lebt mittlerweile
in Städten, in wenigen Jahren werden es 70 Prozent sein. Häupl: "Menschen gehen dorthin, wo es Arbeitsplätze,
Ausbildung, Betreuung und Wohnbau gibt, wo die Lebensqualität hoch und die Wege kurz sind. Die Herausforderung
für Städte lautet: was können wir tun, um diese Lebensqualität dauerhaft zu bieten?"
Er kündigte an, vor den im Herbst beginnenden Expertengesprächen für einen neuen Finanzausgleich
"eindringlich darauf aufmerksam zu machen, was Städte täglich leisten: "Österreichs Städte
stellen Tag für Tag eine kommunale Infrastruktur zur Verfügung, die internationale vorbildlich ist: Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung, Gesundheit, Bildung, Soziales, öffentlicher Nahverkehr, Kultur und Sport sind Leistungen
im öffentlichen Interesse, die wir allerhöchstem Niveau erfüllen", betonte der Städtebund-Präsident.
Zusätzlich hätten Städte und Gemeinden vom Bund immer wieder zusätzliche Aufgaben übertragen
bekommen, ohne diese ausreichend zu finanzieren. "Finanzausgleich und Wirklichkeit klaffen weit auseinander",
kritisierte Häupl in seiner Rede, "Menschen sind keine berechenbare Einheit mehr, die an einem Ort leben,
arbeiten, heiraten und im Alter gepflegt werden. Der Finanzausgleich, der sich noch immer hauptsächlich am
Wohnsitz und damit an der Anzahl der Einwohner bemisst, wird dieser Mobilität und Flexibilität längst
nicht mehr gerecht".
Er forderte einen neuen Finanzausgleich, der sich an den Aufgaben orientiert und weitreichende Strukturreformen:
"Anstelle von Doppelgleisigkeiten und Ko-Finanzierungen brauchen wir Transparenz, klare Aufgabenverteilungen
und volle Mitbestimmung in den Bereichen, die wir mitfinanzieren und mittragen, nur so kann das Wirrwar an Transferleistungen
entflochten werden", so Häupl.
Häupl kritisierte das Bestreben der EU-Kommission, verstärkt in kommunale Angelegenheiten einzugreifen
und "Subsidiarität eigenwillig zu definieren": "Im EU-Beihilfenrecht wird der soziale Wohnbau
auf eine klar definierte Zielgruppe von benachteiligten Bevölkerungsgruppen eingeschränkt, das ist falsch",
so Häupl, "denn wir wollen keine Segregation, sondern soziale Durchmischung", betonte er.
"Die Kernaufgaben der Städte müssen weiterhin finanziert werden können. Eine Kürzung der
kommunalen Aufgaben hat unmittelbare negative Auswirkungen auf die soziale Balance. Wir aber sind für die
soziale Balance in unseren Städten verantwortlich", so Häupl.
Auch Bürgermeister Siegfried Nagl, der auf die große Zahl von Menschen bosnischer Herkunft in Graz verwies,
zeigte sich beeindruckt von der Welle der Hilfsbereitschaft. Graz hat als "erste Hilfe" bereits (Trink-)
Wasser in die betroffenen Gebiete geschickt und unterstützt mehrere Benefizveranstaltungen in der Landeshauptstadt.
Zum Städtetag sagte Nagl: "Die Städte kommen nicht als Bittsteller, denn die Städte sind die
wesentlichen Säulen des Wohlstands in Österreich. In den Städten passiert Bildung und Innovation,
hier werden Menschen integriert und in den Städten wird investiert und so die Wirtschaft angekurbelt. Kommunalpolitiker
sind am nächsten bei den Menschen und nehmen daher die Sorgen und Hoffnungen als erste wahr. Diese Verantwortung
muss sich auch im Finanzausgleich zwischen den subsidiären Ebenen wiederspiegeln!"
Auch Markus Linhart, Bürgermeister von Bregenz, appellierte an die Bevölkerung, zu spenden und dankte
zunächst den Einsatzkräften, die eine rasche und unbürokratische Hilfe ermöglicht hätten.
Er ging auf die Hauptforderungen des Österreichischen Städtebundes ein, die beim Städtetag in Form
einer umfangreichen Resolution beschlossen werden. Kernpunkt: Ein aufgabenorientierter Finanzausgleich, der sich
nicht mehr an der Anzahl der Hauptwohnsitze, sondern an den tatsächlichen Aufgaben, die eine Stadt erfüllen
muss, orientiert: "Klare Aufgabenteilung, klare Finanzierung dieser Leistungen - das ist unsere Forderung",
so Linhart.
"Städte sind Motoren der gesamten österreichischen Wirtschaft, ihre Investitionen tragen wesentlich
zum Wirtschaftsaufschwung bei, weil sie vor allem Klein- und Mittelunternehmen zugute kommen," betonte auch
Städtebund-Präsident Michael Häupl. Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den kommunalen Dienstleistungen
ist sehr hoch, das belegt auch die aktuelle Studie "Städtebarometer 2014" eindrücklich. Die
aktuelle Belastung der Bevölkerung durch Wohnkosten ist immens hoch. 95 Prozent der Befragten sind der Meinung,
dass es wichtig ist, dass es öffentlich geförderten Wohnbau gibt", betonte Häupl.
Finanzen im Mittelpunkt der Beratungen zum 64. Städtetag
Österreichs Städte bieten der Bevölkerung Tag für Tag eine Vielzahl von kommunalen Dienstleistungen
auf höchstem Niveau an: Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Müllentsorgung, Kindergärten,
Schulen, Kultureinrichtungen, Sport und Öffentlicher Nahverkehr. Damit versorgen die Städte eine ganze
Region. Trotz der Krisenjahre ist es gelungen, diese Leistungen in unverminderter Qualität aufrechtzuerhalten
- doch in den letzten Jahren ist auch offensichtlich geworden, dass der Finanzausgleich dringend einer umfassenden
Reform bedarf: Städte und Gemeinden finanzieren neben ihren eigentlichen Aufgaben auch wesentlich die soziale
Versorgung in Österreich mit. Sie finanzieren etwa über sogenannte Transferzahlungen die Sozialhilfe
mit oder ko-finanzieren Spitäler, die hauptsächlich in der Verantwortung der Bundesländer stehen.
Insgesamt 52.000 Transfers fließen zwischen Ländern und Gemeinden hin- und her und machen die Finanzierung
daher unübersichtlich und ineffektiv. Zusätzlich belasten einzelne Maßnahmen der Bundesregierung
Städte und Gemeinden:
- Die Streichung der Vorsteuer-Regelung für Städte und Gemeinden, die
seit 2013 fällig ist, führt dazu, dass Kommunen bei Investitionen zurückhaltender sind.
- Gemeindekooperationen sollen nunmehr umsatzsteuerpflichtig sein, was dazu führen
könnte, dass Kooperationen, die eigentlich sparen helfen, nicht mehr eingegangen werden.
- Die gemeindeeigenen Steuern, die in den letzten Jahren anteilig von 40 auf 20
Prozent zurückgegangen sind, müssen modernisiert, verfassungsmäßig abgesichert und dynamisiert
werden. Wichtigster Schritt: Die Reform der Grundsteuer. Mittelfristig sollte gemeinsam mit dem Finanzministerium
eine grundlegende Reform erarbeitet werden, wobei klar ist, dass die Grundsteuer eine kommunale Steuer bleiben
muss.
Der Österreichische Städtebund tritt für eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs (FAG) ein,
der sich an den tatsächlichen Aufgaben von Stadt oder Gemeinde orientiert, anstelle der Anzahl der festen
Wohnsitze. Es muss eindeutige Zuständigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften geben, und eine klare
finanzielle Verantwortung. Zum Beispiel: Gesundheit und Pflege sind Ländersache, Kindergärten werden
nur durch die Kommunen verantwortet. Nur so können die unzähligen Transferzahlungen eingedämmt werden
und letztlich auch die Leistungen besser und effizienter werden.
Ergebnisse des Städtebarometer 2014
Die Lebensqualität in der Wohngemeinde wird von der Bevölkerung wie auch in den letzten Jahren als sehr
hoch eingeschätzt: Fast neun von zehn Befragten (87%) gaben im Jahr 2014 an, dass ihre Wohngemeinde eine hohe
Lebensqualität bietet. Das ist eines der Ergebnisse, des jährlich erhobenen "Städtebarometer"
von SORA - Institute for Social Research. Weiterhin hoch ist auch die Zufriedenheit mit kommunalen Dienstleistungen:
Jeweils neun von zehn Befragten sind mit der Trinkwasserversorgung (97%), der Abwasserentsorgung (93%) und der
Müllentsorgung (92%) zufrieden. Auch die Zufriedenheit mit dem Stadtbild (89%), der Gesundheitseinrichtungen
(86%) den Angeboten für FußgängerInnen (87%) oder dem Radwegenetz (80%) und dem Öffentlichen
Verkehr (78%) sind sehr hoch.
Drei Viertel der Befragten sind außerdem mit den Sozialen Diensten, den Pflege- und den Kinderbetreuungseinrichtungen
zufrieden. Vergleicht man die Zufriedenheit in kleineren und größeren Gemeinden, dann steigt beispielsweise
die Zufriedenheit mit dem Öffentlichen Verkehr mit zunehmender EinwohnerInnenzahl. Während etwa in den
kleinen Kommunen die Zufriedenheit bei 52% liegt, steigt sie in Wien auf 95%.
Auch bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie den Soziale Diensten
ist die Zufriedenheit der Bevölkerung in größeren Städten bzw. Gemeinden höher als in
kleineren.
Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass kommunale Dienstleistungen nicht an private
Anbieter ausgelagert werden sollten, auch hier führen Trinkwasser, die Abwasserversorgung und die Gesundheitseinrichtungen
die Reihung deutlich an. Abgefragt wurde auch der Zuzug in die Städte bzw. die Wanderungsbewegungen insgesamt.
Rund vier von zehn Befragten ist erst im Laufe ihres Lebens in ihre aktuelle Wohngemeinde gezogen. Wer erst im
Laufe des Lebens zugezogen ist, kommt häufig aus einer kleineren Gemeinde oder Stadt in eine größere
(63%). 26% sind aus einer größeren in eine kleinere Kommune übersiedelt, 11% kommen aus dem Ausland.
Steigende Wohnkosten in urbanen Gebieten
Ein besonderer Schwerpunkt wurde bei der Befragung 2014 zum Thema "Leistbares Wohnen" gesetzt. Die Befragten
wurden gebeten einzuschätzen, wie sich die Kosten für Wohnen in ihrer Wohngemeinde in den letzten Jahren
entwickelt haben: Von Befragten, die in urbanen Gebieten leben (88%), wird häufiger ein Kostenanstieg im Bereich
Wohnen konstatiert als von Befragten in ländlichen Gebieten (72%). Unabhängig davon, ob es sich bei der
Wohngemeinde um eine eher ländliche oder urbane Gemeinde handelt, beobachten MieterInnen (90%) häufiger
eine Kostensteigerung beim Wohnen als EigentümerInnen (77%).
Die beschriebenen Unterschiede zwischen Stadt und Land spiegeln daher einerseits einen Anstieg der Immobilienpreise
in den Ballungsräumen wider, andererseits die strukturellen Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen
Wohnungsmärkten: Während es sich bei etwa zwei Drittel der Befragten in ländlichen Gemeinden um
EigentümerInnen der von ihnen bewohnten Wohnung bzw. des von ihnen bewohnten Hauses handelt, sind das unter
Befragten in urbanen Gemeinden nur ein Drittel der Befragten.
Mehr als jede/r Zweite fühlt sich durch Wohnkosten belastet
Hinsichtlich der aktuellen Belastung durch die Wohnkosten gibt insgesamt etwas mehr als die Hälfte der Befragten
(54%) an, sich durch die Kosten für Wohnen sehr oder ziemlich belastet zu fühlen. Etwa jede/r sechste
fühlt sich sehr belastet. Je jünger die Befragten sind, desto eher fühlen sie sich durch die Wohnkosten
belastet: 62% der unter 30-Jährigen geben an, sich sehr oder ziemlich belastet zu fühlen - gegenüber
43% der über 60-Jährigen. Generell steigt das subjektive Belastungsgefühl - wie aufgrund des höheren
Anteils an MieterInnen in größeren Kommunen zu erwarten - mit der Gemeindegröße: In Gemeinden
mit bis zu 10.000 EinwohnerInnen fühlen sich 44% durch die Wohnkosten belastet und in Städten über
100.000 EinwohnerInnen 58%.
95% der Befragten sind der Meinung, dass es wichtig ist, dass es öffentlich geförderten Wohnbau gibt.
Diese breite Zustimmung gilt für alle Alters- und Einkommensschichten. Nicht nur Befragten mit niedrigem und
mittlerem Einkommen, auch Befragte mit hohem Haushaltseinkommen (91%) sehen die Notwendigkeit für öffentlich
geförderten Wohnbau.
Wohnzufriedenheit zentral für Lebensqualität
Insgesamt sind in den österreichischen Städten und Gemeinden neun von zehn Befragten mit der Wohnsituation
zufrieden, jede/r zweite ist sogar sehr zufrieden. Die Zufriedenheit mit der Wohnsituation steht also in engem
Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Lebensqualität in einer Gemeinde.
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Faymann: Gemeinsame Arbeit für sozialen Zusammenhalt
Der Bundeskanzler sprach zur Eröffnung des Städtetages des Städtebundes
in Graz
"Die Städte stehen für Daseinsvorsorge, sozialen Zusammenhalt und ein Leben und Altern in
Würde", sagte Bundeskanzler Werner Faymann beim 64. Städtetag in Graz, bei dem auch der Gastgeber,
der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl und Städtebund-Präsident Michael Häupl begrüßten.
"Gerade für Städte, für die das Zusammenleben so wichtig ist, ist auch die länderübergreifende
Zusammenarbeit wichtig. Die EU-Wahl zeigte aber, dass einige Nationalisten die zarte Pflanze der Zusammenarbeit
zerstören wollen. Dagegen müssen wir unsere Stimme erheben", so Faymann weiter. "Wie soll ein
Fleckerlteppich gegen die Folgen der internationalen Finanzkrise auftreten? Wir brauchen die gemeinsame und engagierte
Arbeit für die Bankenunion, mehr Kontrolle der Finanzmärkte und verstärktes Engagement für
mehr Beschäftigung und Wachstum."
"Demokratie braucht Akzeptanz und Beteiligung. Die können wir nur dann erwarten, wenn wir für eine
gute Daseinsvorsorge, für sauberes Wasser, Energie, Kinderbetreuung und Pflege sowie für Gesundheitseinrichtungen
sorgen", betonte der Kanzler. "Das geht aber nur dann, wenn wir die notwendigen Mittel dafür haben.
Steuer- und Lohndumping schwächt die Daseinsvorsorge, wir brauchen die Steuereinnahmen, um unsere Herausforderungen
bewältigen zu können."
"Wenn wir derzeit über die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sprechen, will ich daher
auch eine offene Diskussion darüber führen, wer zur Aufbringung der notwendigen Mittel mehr beitragen
kann. Damit wir uns auch in Zukunft eine funktionierende Daseinsvorsorge leisten und über die entsprechenden
Finanzmittel verfügen können, die beim Finanzausgleich verteilt werden können", so Faymann.
"Wir müssen die Rahmenbedingungen für Bildung und Forschung, Wachstum und Beschäftigung schaffen,
ebenso wie für Armutsbekämpfung und ein Leben in Würde sorgen. Das können wir nur gemeinsam
und über die Grenzen hinweg", schloss der Bundeskanzler und wünschte den Beratungen des Städtetages
guten Erfolg. (bpd)
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Festredner Barber: Wenn Bürgermeister die Welt regieren
Als Festredner kam bei der Eröffnung des 64. Städtetages in Graz heute der US-amerikanische Politikwissenschafter
und früheren Clinton-Berater Benjamin Barber als Festredner zu Wort. Mit seinem Vortrag "If Mayors ruled
the world: Why Cities Can Do What Nation States Cannot - Dysfunctional Nations, Rising Cities" stellte er
fest: Politik und Demokratie sind heute mit autonomen, souveränen Nationalstaaten konfrontiert, die getrennt
voneinander handeln. Sie seien abstrakte Gebilde, die nicht in der Lage sind, miteinander zu kooperieren. Eine
Welt des 21. Jahrhunderts brauche jedoch länderübergreifende pragmatische Lösungen um die vielfältigen
transnationalen Probleme und Herausforderungen zu lösen.
"Wir sollten nicht über Nationen, sondern über Städte reden. Städte sind die Wiege der
Demokratie. Städte sind nicht nur die ältesten Institutionen, sie sind auch die beständigsten. Sie
sind die Orte, an denen wir geboren werden, aufwachsen, zur Schule gehen, arbeiten, heiraten, beten, spielen, alt
werden und letztendlich sterben. Sie sind Heimat", so Barber.
Wenn Bürgermeister regieren
Heutzutage lebt bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. In der entwickelten
Welt sind es ungefähr 78 Prozent. Daher, so Barbar, sei es auch berechtigt, die Frage zu stellen: "Was
wäre, wenn Bürgermeister die Welt regieren würden?" - Es gibt bereits einige internationale
Städtenetzwerke - wie der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) und der Rat für kommunale Umweltinitiativen
(ICLEI) - in denen Städte bereits zusammenarbeiten. Ziele der Zusammenarbeit unter anderem: die Bekämpfung
des Klimawandels, Sicherheit in den Städten, Migration. Und die Liste geht weiter: Citynet in Asien; City
Protocol, eine neue Organisation aus Barcelona, welche das Web nutzt, um Erfolgsrezepte mit anderen Ländern
zu teilen. Und die bekannten Einrichtungen: die US-Bürgermeisterkonferenz, die mexikanische Bürgermeisterkonferenz
und die europäische Bürgermeisterkonferenz.
Barber beschäftige sich auch mit der Frage: Wie können wir eine Welt erschaffen, in der Bürgermeister
und die Bürger, die sie vertreten, eine wichtigere Rolle spielen? Dafür, so Barber, müsse man verstehen,
warum Städte so besonders sind. Und warum Bürgermeister so anders seien, als Premierminister und Präsidenten.
Bürgermeister seien Pragmatiker und Problemlöser. Ihr Job sei es, Probleme zu lösen.
"Bürgermeister sorgen dafür, dass Schlaglöcher gestopft werden, dass Züge fahren und Kinder
die Schule besuchen können. Sie müssen ihre Ideologie, Religion und ethnische Herkunft beiseite lassen
und ihre Städte zusammenhalten. Sie packen Dinge an", formuliert Barber. Bürgermeister seien aus
der Nachbarschaft, die Bevölkerung kenne sie. Aus diesem Grund genießen Bürgermeister, Stadträte
und Kommunalpolitiker bei den Menschen ein höheres Maß an Vertrauen. Städte sind zutiefst multikulturell,
offen, teilnehmend, demokratisch, zur Zusammenarbeit fähig.
Städte sind Problemlöser
80 Prozent der Co2-Emissionen fallen in Städten an - daher sind Städte in der Position, das Emissionsproblem
oder einen Großteil davon, zu lösen. Unabhängig davon, ob die Staaten, zu denen sie gehören,
Abkommen dazu vereinbaren. Und sie tun es auch - sie tauschen auch ihre Erfolgsrezepte untereinander aus. Organisationen
wie C40 und der ICLEI, haben schon viele Jahre vor Kopenhagen miteinander gearbeitet.
"In Kopenhagen, vor etwa vier oder fünf Jahren, kamen 184 Nationen zusammen und erklärten einander,
warum ihre Souveränität es ihnen nicht erlaubt, sich mit der sehr ernsten Krise des Klimawandels zu beschäftigen.
Doch dem Bürgermeister Kopenhagens gelang es, 200 Bürgermeister zusammenzurufen. Sie kamen, sie blieben
und fanden neue Wege, und finden noch immer Wege der Zusammenarbeit. Unmittelbar und durch Städte-Organisationen",
betont Barber das unterschiedliche Handeln von Nationen und Städten. "Nehmen wir das Beispiel der Fahrradverleihsysteme
her: Sie wurden vor 20 oder 30 Jahren in Lateinamerika eingeführt. Heute gibt es sie in hunderten Städten
auf der ganzen Welt. Fußgängerzonen, Mautsysteme, Emissionsgrenzen wären weitere Beispiele für
Best-Practice Projekte, die sich global durchgesetzt haben".
Ausblick für die Zukunft
"Der Weg zur globalen Demokratie führt nicht durch die Staaten, sondern durch Städte. Die Vereinten
Nationen könnten durch die Vereinten Städte der Welt ersetzt werden - mit dem Unterschied, dass sie handlungsfähiger
wären. Dazu müssten wir ein globales Bürgermeisterparlament gründen. Es ist nicht nur meine
Vision für die Zukunft, sondern wird bereits von rund 50 Bürgermeistern gelebt, darunter jene von Seoul,
Korea, Amsterdam, Hamburg oder New York. Bürgermeister überlegen bereits, wie ein solches globales Bürgermeisterparlament
umgesetzt werden kann und welche rechtliche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind. Der Plan ist, bis 2016
ein Versuchsparlament zu starten", so Barber abschließend.
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Einstimmige Resolution gefasst
Bei der Vollversammlung unter Vorsitz von Bürgermeister Markus Linhart folgten am 06.06. die statutarischen
Beschlüsse, unter anderem die Aufnahme der neuen Mitgliedsgemeinden in den Österreichischen Städtebund:
Stadtgemeinde Ebreichsdort, Stadtgemeinde Jennersdorf, Marktgemeinde Neuhofen an der Krems Stadt Pregarten Stadtgemeinde
Pressbaum. Den ehemaligen Bürgermeistern Franz Dobusch (Linz), Bernd Rosenberger (Bruck an der Mur) und Matthias
Konrad (Leoben), die alle drei Mitglieder der Geschäftsleitung des Österreichischen Städtebundes
waren, dankte Präsident Michael Häupl und verlieh ihnen die Ehrenmitgliedschaft des Städtebundes.
Dann folgte der Beschluss über die "Resolution an den Österreichischen Städtetag", die
die wichtigsten politischen Positionen zusammenfasst. Der Beschluss erfolgte einstimmig. Anbei die wichtigsten
Passagen im Wortlaut (Vollversion unter www.staedtetag.at):
"Österreichs Städte setzen Impulse und schaffen den Gestaltungsrahmen des täglichen Lebens.
Sie erbringen eine Vielzahl von Leistungen im Bereich der Infrastruktur. Städte tragen aber auch ein hohes
Maß an sozialer Verantwortung: soziale Veränderungen treten in Städten zuerst und besonders deutlich
zutage; soziale Eingliederung und Bekämpfung der Armut sind Beispiele für gesamtgesellschaftliche Aufgaben,
die Städte Tag für Tag lösen müssen.
Funktionierende Städte fördern die Entwicklung des ganzen Landes, auch die der ländlichen Regionen.
Damit es den Städten gelingt, das hohe Niveau ihrer Leistungen aufrecht zu erhalten oder sogar zu steigern,
müssen in einer Welt, die ständigen Veränderungsprozessen unterliegt, taugliche Rahmenbedingungen
geschaffen werden.
Die Resolution an den Österreichischen Städtetag steht 2014 im Licht der bevorstehenden Verhandlungen
für einen neuen, stabilen, nachhaltigen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden
zum Wohl der Bevölkerung und zur Festigung des Wirtschaftsstandortes Österreich.
Der Österreichische Städtebund fordert
- einen aufgabenorientierten Finanzausgleich: Eine Reform des Finanzausgleichs,
die sich an den Aufgaben orientiert, muss die Finanzierung der Basisaufgaben, Sonderlasten und zentralörtlichen
Aufgaben der Städte sicherstellen. Die spezifisch urbanen Zentrumslasten müssen anerkannt und fair abgegolten
werden. Die Transferzahlungen an die Länder müssen eingedämmt und gedeckelt werden, der Vorwegabzug
für Bedarfszuweisungen wird abgeschafft;
- eine klare Trennung von Ressourcen- und Lastenausgleich: Ein überzogener
Ressourcenausgleich im Finanzausgleich, der Kommunen mit geringen zentralörtlichen Aufgaben mit beträchtlichen
frei zu verwendenden Mittel versorgt, während Kommunen mit umfangreichen Aufgaben kaum über genügend
Finanzkraft verfügen, ihren Aufgaben nachzukommen, ist unbedingt zu vermeiden. Die Mittelausstattung hat sich
primär an den aufgabenbedingten Unterschieden zu orientieren. Der horizontale Ausgleich folgt dem Prinzip
des Las-tenausgleichs, der strukturelle Gegebenheiten berücksichtigt und anhand messbarer Kriterien zu einem
Ausgleich besonders geforderter Gebiete, wie es Städte sind, dient;
- eine Aufgabenreform, die durch die Zusammenführung von Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung
unkoordinierte Doppelinvestitionen verhindert und Transparenz über die Mittelverwendung und Kostenwahrheit
fördert: Die Städte und Stadtgemeinden übernehmen die Verantwortung und die Finanzierung, beispielsweise
im vorschulischen Bildungsbereich, im Gegenzug werden etwa Krankenanstalten, Pflege und Mindestsicherung ausschließliche
Landesaufgaben. Durch diese Aufgabenentflechtung und die entsprechende Neuordnung der Mittelzuweisung erübrigen
sich entsprechenden Transferverflechtungen, Transfers und Umlagen entfallen zur Gänze;
- die Einräumung der Rechtsfähigkeit der bundesverfassungsgesetzlich
berufenen Vertreterinnen und Vertreter der Städte, um ein kommunales Mitentscheidungsrecht in allen Angelegenheiten,
die Einfluss auf die Kompetenzen und Finanzen der Städte und urbanen Gemeinden entwickeln, zu ermöglichen.
Ver-einbarungen gemäß Artikel 15a BVG, die eine inhaltliche oder finanzielle Bindung für Kommunen
bedeuten, bedürfen ebenfalls deren Zustimmung;
- eine intelligente Reform des Haushaltswesens der Kommunen, die sich an den Notwendigkeiten
der Städte und Gemeinden orientiert;
- ein Steuerfindungsrecht der Städte, um zu kompensieren, dass ein bedeutender
Teil der gemeindeeigenen Steuern in den vergangenen Jahren abgeschafft oder durch die Schaffung zahlreicher Ausnahmebestimmungen,
so auch Steuerbefreiungen für andere Gebietskörperschaften, ausgehöhlt wurde.
- eine Reform der gemeindeeigenen Steuern: die Neuordnung der Grundsteuer und der
Kommunalsteuer sowie das Streichen von diversen Befreiungen unterstützt die Abgabenautonomie der Städte.
Die Reform der Kommunalsteuer soll zur Stärkung der Kommunen mit zentralörtlichen Aufgaben beitragen;
- die Eröffnung des direkten Zugangs zu Finanzierungen durch die ÖBFA,
damit die Städte günstige Konditionen für die Finanzierung der Staatsausgaben, die die österreichische
Bundesfinanzierungsagentur ÖBFA aufgrund der Volumina und der guten Bewertung Österreichs durch Ratingagenturen
erhält, entsprechend nutzen können.
- unter Einbringung von zusätzlichen Bundesmitteln die Schaffung eines kommunalen
Rettungsschirmes für Städte und Gemeinden, die von besonders ungünstigen Rahmenbedingungen betroffen
sind und ihre Schuldenlast allein nicht mehr bewältigen können.
- die Zusicherung der Bundesregierung, dass die vom Österreichischen Städtebund
formulierten Anliegen der Städte auch in etwaigen Freihandelsabkommen (beispielsweise TTIP) und sonstigen
internationalen Vereinbarungen vollinhaltlich abgebildet werden.
Bei der Vollversammlung unter Vorsitz des Bregenzer Bürgermeisters Markus Linhart wurden auch die ehrwürdige
Mitglieder des Österreichischen Städtebundes geehrt: Matthias Konrad, Leoben, Bernd Rosenberger, Bruck
an der Mur, Franz Dobusch, Linz.
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