Weninger: "Kommunale Leistungen sind keine Spekulationsware" – Vizekanzler Finanzminister
Spindelegger bekennt sich zu einem "Systemwechsel" im Rahmen der Abschlusstagung des 64. Städtetages
2014
Graz/Wien (rk) -In seiner Rede am 64. Österreichischen Städtetag in Graz ging der Generalsekretär
des Österreichischen Städtebundes, Thomas Weninger, zunächst auf die europäische Dimension
der Städtepolitik ein und rief das Motto "Think globally, act locally" in Erinnerung: "Viele
neue Spielregeln, die mittelbar und unmittelbar Auswirkungen auf die Städte haben, werden auf internationaler
und europäischer Ebene getroffen, auch wir müssen uns daher auf dieser Ebene stark machen", so Weninger.
"Die Leistungen der Daseinsvorsorge stehen unter einem hohen Druck, einerseits durch den einseitig am Wettbewerb
orientierten EU-Binnenmarkt, sowie global durch Freihandelsabkommen mit den USA, Kanada oder Japan", so Weninger.
"Dabei sind gerade diese Dienstleistungen essentiell für den Wirtschaftsstandort Stadt und für den
Lebensraum Stadt: personenintensive soziale Dienstleistungen wie Kindergärten, Schulen, Senioren- und Pflegeeinrichtungen
oder auch technologieintensive wie Wasser-Versorgung und -Entsorgung, Abfall und Öffentlicher Personennahverkehr
(ÖPNV)".
Eine Studie im Auftrag der Deutschen Bundesregierung warnt, dass nur die kräftige Ausweitung der realwirtschaftlichen
Investitionstätigkeit in Europa einen Beschäftigungsaufschwung erreichen könne - um zu verhindern,
dass aus der Krise eine Dauerkrise werde und aus der konjunkturell bedingten Arbeitslosigkeit eine strukturelle
Arbeitslosigkeit. Die Folgen hätten vor allem die Städte zu tragen: "Arbeitslosigkeit und Massenarbeitslosigkeit
werden vor allem in Städten sichtbar", sagte Weninger.
Er erinnerte daran, dass Städte und Gemeinden nach wie vor der größte öffentliche Investor
in Österreich seien und damit Wertschöpfung und Arbeit und Beschäftigung vor Ort sichern. Zuletzt
sei aber der Spielraum für Investitionen stark zurückgegangen, obwohl die Ertragsanteile gestiegen sind.
Schuld an diesem Dilemma sind unter anderem die Transferleistungen an die Bundesländer, die in den vergangenen
Jahren stark gestiegen sind: "von einem Euro an Ertragsanteilen gehen 75 Cent an Transfers und nur 25 Cent
verbleiben in der Stadt", so Weninger. "Laut Prognosen des KDZ wird der Anteil an Transfers bis 2017
auf 88 Prozent steigern, hier ist dringend eine Entflechtung geboten, sind wir doch als kommunale Ebene Nettozahler
in die Ländertöpfe", so Weninger.
In Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen zu einem neuen Finanzausgleich (FAG) richtete er sich direkt an den
anwesenden Finanzminister: "Es muss möglich sein, den Städten und Gemeinden wieder die Handlungsfähigkeit
zurückzugeben, als größter öffentlicher Investor wieder aktiv zu sein, um ihren Beitrag zur
regionalen Wertschöpfung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor Ort zu leisten".
Er forderte eine "goldene Regel" in der Budgetpolitik, die "nachhaltige öffentliche Investitionen
erlaubt, sowie die Ausnahme für dringende öffentliche Infrastrukturinvestitionen bei Kinderbetreuung,
Bildung, Gesundheit und Pflege, sowie ÖPNV". Eine Forderung, die sich auch in der vom Städtebund
einstimmig beschlossenen Resolution findet; unlängst sprach sich auch die IWF Chefin Christine Lagarde für
eine "Golden Rule" aus.
Weninger forderte ein Ende des Grauen Finanzausgleichs und eine aufgabenorientierte kommunale Finanzierung. Das
Ziel sei eine Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung. Weiters forderte er eine
Stärkung der Abgabenautonomie der Gemeinden, eine Reform der Grundsteuer.
Ein großes Problem sei auch, dass positive Ansätze wie die Kooperationen zwischen Gemeinden, die die
Effizienz steigern sollten, neuerdings durch die Besteuerung dieser Leistungen weder zunichte gemacht würden:
"Einerseits will man Kooperationen auf kommunaler Ebene fördern, bestraft dies aber nun mit Belegung
der Umsatzsteuer!" kritisierte Weninger.
In Anwesenheit von Vizekanzler Michael Spindelegger zeigte sich der Österreichische Städtebund für
FAG-Verhandlungen mit grundlegender Aufgabenreform gesprächsbereit.
|
Bekenntnis zu aufgabenorientierter Finanzausgleich
Mit einer überraschenden Ansage von Finanzminister Michael Spindelegger endete der 64. Städtetag
in Graz am 06.06.: "Wir wollen Raum schaffen für Veränderungen und stimmen einem aufgabenorientierten
Finanzausgleich zu." Dazu Städtebund-Präsident Bürgermeister Michael Häupl: "Ich
nehme diese Ankündigung einen Systemwechsel zu vollziehen, natürlich positiv auf, bis dato sind wir mit
dieser Forderung sehr einsam gewesen." Der Österreichische Städtebund fordert schon seit langem
eine aufgabenorientierte kommunale Finanzierung. Eine Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung
ist ein zentrales Ziel.
Spindelegger befürwortete in seiner Abschlussrede eine weitere langjährige Forderung des Österreichischen
Städtebundes: "Es ist Zeit, für eine Entflechtung der Transferzahlungen." Auch sei an die Kommunen
ein großer Dank auszusprechen, die sich in den vergangenen Krisenjahren an den Stabilitätspakt gehalten
haben.
Zu Ende der Veranstaltung sprach sich Oberbürgermeister Milan Ftácnik aus Bratislava für eine
enge Zusammenarbeit der Städte aus um Best-Practice-Beispiele und gemeinsame Lösungen umzusetzen.
Fahnenübergabe an Wien zum Städtetag 2015
Mit dem heutigen Tag endet der 64. Städtetag 2014 in Graz, der unter dem Motto "Städte neu denken
- Finanzen, Bildung, Soziales" gestanden ist. Traditionell wurde daher zuletzt feierlich die rote Städtebund-Fahne
an Bürgermeister Michael Häupl übergeben, die den nächsten Österreichischen Städtetag
2015 ausrichtet.
Der Österreichische Städtetag ist die jährliche Generalversammlung des Österreichischen Städtebundes
und seiner rund 250 Mitgliedsstädte und Gemeinden.
Rund 900 TeilnehmerInnen (Bürgermeisterinnen, GemeindevertreterInnen) aus ganz Österreich und internationale
Gäste trafen einander in Graz von 4.-6. Juni 2014 und debattierten drei Tage lang über kommunale Fragestellungen.
|