64. Städtetag in Graz

 

erstellt am
10. 06. 14
11.30 MEZ

Weninger: "Kommunale Leistungen sind keine Spekulationsware" – Vizekanzler Finanzminister Spindelegger bekennt sich zu einem "Systemwechsel" im Rahmen der Abschlusstagung des 64. Städtetages 2014
Graz/Wien (rk) -In seiner Rede am 64. Österreichischen Städtetag in Graz ging der Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes, Thomas Weninger, zunächst auf die europäische Dimension der Städtepolitik ein und rief das Motto "Think globally, act locally" in Erinnerung: "Viele neue Spielregeln, die mittelbar und unmittelbar Auswirkungen auf die Städte haben, werden auf internationaler und europäischer Ebene getroffen, auch wir müssen uns daher auf dieser Ebene stark machen", so Weninger.

"Die Leistungen der Daseinsvorsorge stehen unter einem hohen Druck, einerseits durch den einseitig am Wettbewerb orientierten EU-Binnenmarkt, sowie global durch Freihandelsabkommen mit den USA, Kanada oder Japan", so Weninger. "Dabei sind gerade diese Dienstleistungen essentiell für den Wirtschaftsstandort Stadt und für den Lebensraum Stadt: personenintensive soziale Dienstleistungen wie Kindergärten, Schulen, Senioren- und Pflegeeinrichtungen oder auch technologieintensive wie Wasser-Versorgung und -Entsorgung, Abfall und Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)".

Eine Studie im Auftrag der Deutschen Bundesregierung warnt, dass nur die kräftige Ausweitung der realwirtschaftlichen Investitionstätigkeit in Europa einen Beschäftigungsaufschwung erreichen könne - um zu verhindern, dass aus der Krise eine Dauerkrise werde und aus der konjunkturell bedingten Arbeitslosigkeit eine strukturelle Arbeitslosigkeit. Die Folgen hätten vor allem die Städte zu tragen: "Arbeitslosigkeit und Massenarbeitslosigkeit werden vor allem in Städten sichtbar", sagte Weninger.

Er erinnerte daran, dass Städte und Gemeinden nach wie vor der größte öffentliche Investor in Österreich seien und damit Wertschöpfung und Arbeit und Beschäftigung vor Ort sichern. Zuletzt sei aber der Spielraum für Investitionen stark zurückgegangen, obwohl die Ertragsanteile gestiegen sind. Schuld an diesem Dilemma sind unter anderem die Transferleistungen an die Bundesländer, die in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind: "von einem Euro an Ertragsanteilen gehen 75 Cent an Transfers und nur 25 Cent verbleiben in der Stadt", so Weninger. "Laut Prognosen des KDZ wird der Anteil an Transfers bis 2017 auf 88 Prozent steigern, hier ist dringend eine Entflechtung geboten, sind wir doch als kommunale Ebene Nettozahler in die Ländertöpfe", so Weninger.

In Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen zu einem neuen Finanzausgleich (FAG) richtete er sich direkt an den anwesenden Finanzminister: "Es muss möglich sein, den Städten und Gemeinden wieder die Handlungsfähigkeit zurückzugeben, als größter öffentlicher Investor wieder aktiv zu sein, um ihren Beitrag zur regionalen Wertschöpfung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor Ort zu leisten".

Er forderte eine "goldene Regel" in der Budgetpolitik, die "nachhaltige öffentliche Investitionen erlaubt, sowie die Ausnahme für dringende öffentliche Infrastrukturinvestitionen bei Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit und Pflege, sowie ÖPNV". Eine Forderung, die sich auch in der vom Städtebund einstimmig beschlossenen Resolution findet; unlängst sprach sich auch die IWF Chefin Christine Lagarde für eine "Golden Rule" aus.

Weninger forderte ein Ende des Grauen Finanzausgleichs und eine aufgabenorientierte kommunale Finanzierung. Das Ziel sei eine Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung. Weiters forderte er eine Stärkung der Abgabenautonomie der Gemeinden, eine Reform der Grundsteuer.

Ein großes Problem sei auch, dass positive Ansätze wie die Kooperationen zwischen Gemeinden, die die Effizienz steigern sollten, neuerdings durch die Besteuerung dieser Leistungen weder zunichte gemacht würden: "Einerseits will man Kooperationen auf kommunaler Ebene fördern, bestraft dies aber nun mit Belegung der Umsatzsteuer!" kritisierte Weninger.

In Anwesenheit von Vizekanzler Michael Spindelegger zeigte sich der Österreichische Städtebund für FAG-Verhandlungen mit grundlegender Aufgabenreform gesprächsbereit.

     

Bekenntnis zu aufgabenorientierter Finanzausgleich
Mit einer überraschenden Ansage von Finanzminister Michael Spindelegger endete der 64. Städtetag in Graz am 06.06.: "Wir wollen Raum schaffen für Veränderungen und stimmen einem aufgabenorientierten Finanzausgleich zu." Dazu Städtebund-Präsident Bürgermeister Michael Häupl: "Ich nehme diese Ankündigung einen Systemwechsel zu vollziehen, natürlich positiv auf, bis dato sind wir mit dieser Forderung sehr einsam gewesen." Der Österreichische Städtebund fordert schon seit langem eine aufgabenorientierte kommunale Finanzierung. Eine Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung ist ein zentrales Ziel.

Spindelegger befürwortete in seiner Abschlussrede eine weitere langjährige Forderung des Österreichischen Städtebundes: "Es ist Zeit, für eine Entflechtung der Transferzahlungen." Auch sei an die Kommunen ein großer Dank auszusprechen, die sich in den vergangenen Krisenjahren an den Stabilitätspakt gehalten haben.

Zu Ende der Veranstaltung sprach sich Oberbürgermeister Milan Ftácnik aus Bratislava für eine enge Zusammenarbeit der Städte aus um Best-Practice-Beispiele und gemeinsame Lösungen umzusetzen.
Fahnenübergabe an Wien zum Städtetag 2015

Mit dem heutigen Tag endet der 64. Städtetag 2014 in Graz, der unter dem Motto "Städte neu denken - Finanzen, Bildung, Soziales" gestanden ist. Traditionell wurde daher zuletzt feierlich die rote Städtebund-Fahne an Bürgermeister Michael Häupl übergeben, die den nächsten Österreichischen Städtetag 2015 ausrichtet.

Der Österreichische Städtetag ist die jährliche Generalversammlung des Österreichischen Städtebundes und seiner rund 250 Mitgliedsstädte und Gemeinden.

Rund 900 TeilnehmerInnen (Bürgermeisterinnen, GemeindevertreterInnen) aus ganz Österreich und internationale Gäste trafen einander in Graz von 4.-6. Juni 2014 und debattierten drei Tage lang über kommunale Fragestellungen.

     

Lesen Sie hier den ersten Berichtsblock vom Städtetag vom 05.06.
Lesen Sie hier den zweiten Berichtsblock vom Städtetag vom 06.06.
Lesen Sie hier den dritten Berichtsblock vom Städtetag vom 10.06. 

Allgemeine Informationen:
http://www.staedtetag.at

 

 

 

 

 

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